Jugendlicher aus Haasenburg-Heim: Geflohener Junge ist frei
Vor Gericht hat die Vormünderin auf das weitere Einsperren eines 15-Jährigen verzichtet. Der Junge war Anfang Juli aus der Haasenburg geflohen.
Der Anfang Juli aus der Haasenburg geflohene Nico* ist nicht mehr auf der Flucht. Das ist das Ergebnis einer Verhandlung am Montag vor dem Amtsgericht Lübben. „Seine Vormünderin, eine Privat-Pflegerin, hat auf die weitere Vollstreckung des Beschlusses zur geschlossenen Unterbringung verzichtet“, berichtet der Anwalt Rudolf von Bracken.
Auch habe sie die „Maßnahme Haasenburg“ zusammen mit den Jugendamt beendet. Ein bereits eingereichter Verlängerungsantrag für ein ganzes Jahr Haasenburg wurde von ihr zurück gezogen. Somit wird der Junge nicht mehr gesucht und muss nicht befürchten, von der Polizei aufgegriffen zu werden.
Der 15-Jährige war in der Nacht vom 2. auf den 3. Juli zusammen mit zwei Freunden durch ein Klofenster aus dem Heim geflohen und seither untergetaucht. Nun soll für ihn eine offene Jugendhilfeeinrichtung an seinem Wohnort Berlin gefunden werden, auch soll er eine neue Vormünderin bekommen.
Nico hatte Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Haasenburg und seine Vormünderin gestellt. Unter anderen habe ihm zwei Tag vor seiner Flucht ein Erzieher heftig in den Hintern getreten, ein anderer ihn in einer Mülltonne fotografiert und verspottet. Auch sei er die meiste Zeit seines 12-monatigen Aufenthalts isoliert in seinem Zimmer gewesen.
Belegungsstopp nach Flucht
Die drei Jungs waren nach Hamburg geflohen, wo sie Kontakt zu Anwälten und Medien aufnahmen. Ihre Vorwürfe waren Anlass für Brandenburgs Jugendministerium Martina Münch (SPD), bis zur Klärung einen vorläufigen Belegungsstopp für die Haasenburg zu verhängen. Auch der 16-jährige Mitflüchtling Tobias* wurde am Montag vor Gericht in Lübben angehört.
„Er hat alle seine Vorwürfe wiederholt, auch dass ihm der Arm ausgekugelt wurde“, berichtet von Bracken. Zudem habe der aus dem Saarland stammende Junge auch den Fußtritt gegen Nico bestätigt. Tobias wurde schon am zweiten Tag nach der Flucht von der Polizei zurück in die Haasenburg gebracht. Auch er hat von Bracken beauftragt, seine Freilassung zu erwirken. Die Entscheidung wird in Kürze das für ihn zuständige Amtsgericht Ottweiler treffen.
Noch in dieser Woche wird mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg im Fall André* gerechnet. Der dritte Hassenburg-Flüchtling war vor zehn Tagen von der Hamburger Sozialbehörde zurück in die Haasenburg geschickt worden mit der Erklärung, er habe seine Vorwürfe zurück gezogen. Gegenüber Anwalt von Bracken blieb er aber bei der Aussage, er sei bei einer körperlichen Begrenzung misshandelt worden.
Die Hansestadt hat immer noch zehn Minderjährige in den drei Haasenburg-Heimen untergebracht. Der regierende SPD-Senat kommt wegen seiner harten Linie in Bedrängnis. Zu den Vorgängen findet auf Antrag der Opposition am Donnerstag im Hamburger Rathaus eine Sondersitzung des Familienausschusses statt, die nach dem Willen der regierenden SPD komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen soll. *Namen geändert
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