Proteste in Tunesien: Ein erster Sieg der Straße

In Tunis demonstrieren Zehntausende gegen die Regierung der islamistischen Ennahda-Partei. Als Reaktion setzt die verfassunggebende Versammlung ihre Arbeit aus.

Der rote Faden, jüngerer tunesischer Geschichte: Proteste in der Hauptstadt. Bild: ap

TUNIS afp | Zehntausende Oppositionelle haben in der Nacht zum Mittwoch in Tunesien gegen die von der islamistischen Ennahda-Partei geführte Regierung protestiert. Die Demonstranten drängten sich auf dem Platz vor dem Gebäude der Verfassunggebenden Versammlung in Bardo, einem Vorort der Hauptstadt Tunis. Die Versammlung hatte wenige Stunden zuvor wegen der politischen Krise im Land ihre Arbeit für unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Laut einem Polizeivertreter nahmen 40.000 Menschen an der Kundgebung teil, die wegen des islamischen Fastenmonats Ramadan erst am späten Abend begann. Gegen 01.00 Uhr Ortszeit (02.00 Uhr MESZ) endete die Demonstration. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet. „Dies ist eine Versammlung (...) für die Hoffnung auf eine zweite Republik, in der die Ziele der Revolution (vom Januar 2011) verwirklicht werden“, sagte Mohsen Marzouk von der Partei Nida Tounes.

Die Opposition, die von Linksextremen bis zu Mitte-rechts-Parteien reicht und von der einflussreichen Gewerkschaft UGTT unterstützt wird, organisiert seit Tagen jeden Abend Protestkundgebungen gegen die Regierung. Anlass war die Ermordung des Oppositionspolitikers Mohamed Brahmi am 25. Juli. Einige Teilnehmer hielten Porträts Brahmis sowie des am 6. Februar ermordeten Oppositionellen Chokri Belaid hoch.

Viele Bürger machen die Regierung für die Morde mitverantwortlich. Die Ennahda-Gegner fordern eine Regierung der nationalen Einheit. Einige Oppositionelle fordern auch die Auflösung der Verfassunggebenden Versammlung, die seit Monaten wegen zahlreicher Streitigkeiten nicht in ihrer Arbeit – der Ausarbeitung einer neuen Verfassung – vorankommt.

Am Dienstag stoppte die Verfassunggebende Versammlung ihre Arbeit. Ihr Vorsitzender Mustapha Ben Jafaar forderte Regierung und Opposition im Staatsfernsehen zu Verhandlungen auf. Es sei seine Pflicht, die Arbeit der Versammlung „bis zum Beginn eines Dialogs auszusetzen“, sagte er.

Auflösung der Versammlung gefordert

Reaktionen der Regierung, der Präsidentschaft und der Ennahda blieben zunächst aus. In der Opposition wurde die Ankündigung positiv aufgenommen. „Das ist ein Sieg für die Straße“, sagte die Abgeordnete Maya Jribi von der Republikanischen Partei. „Das ist ein erster Schritt zur Befriedung“, sagte sie. Aber er reiche nicht aus, die Versammlung müsse aufgelöst und die Regierung abgesetzt werden.

Seit der tunesischen Revolution im Januar 2011, die zum Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali führte, kommt das nordafrikanische Land nicht zur Ruhe. Armut und hohe Arbeitslosigkeit, die zentralen Auslöser der damaligen Proteste, dauern an.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.