Verzerrte Verbraucherpreise: Mehr Porsche als Suppenküche
Wieder wird das Statistische Bundesamt eine niedrige Inflationsrate präsentieren. Doch die Berechnung ignoriert die soziale Spaltung in Deutschland.
HAMBURG taz | Die Preise in Deutschland scheinen stabil zu sein. Doch die offiziellen Zahlen trügen. Auch die Mini-Inflationsrate von etwa 1,2 Prozent seit Oktober 2012, die das Statistische Bundesamt am Dienstag veröffentlichen wird, steckt zu viel Porsche und zu wenig Suppenküche: Bei der Berechnung der Verbraucherpreise gewichten die Statistiker faktisch die Bedürfnisse von Wohlhabenden stärker als die von Armen. Wer arm ist, muss mit einer weit höheren Preissteigerungsrate leben.
Die Kluft zwischen amtlicher Preissteigerung und persönlicher Inflation liegt im sogenannten Warenkorb verborgen. In diesen packen Fachleute des Statistischen Bundesamtes (Destatis) alles hinein, was der vermeintliche Durchschnittsbürger so ge- und verbraucht – vom Auto bis zur Zahnbürste. Zur Messung ziehen Preiserheber fortlaufend durchs Land, um Preise zu erheben. Zusätzlich recherchiert die Destatis-Zentrale in Wiesbaden in Internet und Versandhauskatalogen.
Insgesamt werden so monatlich über 300.000 Einzelpreise in Deutschland amtlich notiert. Die Preisdaten wandern dann in den Warenkorb. In diesem liegen rund 750 Waren und Dienstleistungen mit den Preisen für „Lotto“ und Tageszeitungen, Müllentsorgung und T-Shirts, für Zahnärzte, Diesel und Nahrungsmittel.
Doch spätestens bei Speiseeis oder Pkw scheiden sich die Statistik-Geister hinsichtlich der Gewichtung. „Die „allgemeinen Verbrauchsgewohnheiten“, wie sie Destatis zugrunde legt, entsprechen nicht der Praxis der einzelnen Konsumenten. Das gilt auch für Computer, öffentlichen Nahverkehr oder Reisen. Verbrauchsgewohnheiten sind individuell unterschiedlich.
Wer beispielsweise gern frische Sachen auf dem (teuren) Wochenmarkt kauft, wird die Preise anders empfinden als jemand, der Fertigkost beim (billigen) Discounter erwirbt. Auch ist Vollwertkost für den Geschmack eines „Ökos“ unterrepräsentiert.
Autos sind überrepräsentiert
Zweifelhaft ist ebenfalls die Gewichtung langlebiger Konsumgüter wie Autos: Auch der „Kauf von Fahrzeugen“ landet nämlich im Warenkorb – mit dem dreifachen Gewicht von „Gemüse“! Doch während die Preise für Kartoffeln, Möhren und Paprika in diesem verregneten Sommer teilweise über 40 Prozent zulegten, blieben die Preise für Kauf und Betrieb von Kraftfahrzeugen nahezu gleich.
Der Warenkorb und die Gewichtung seiner einzelnen Bestandteile spiegeln also bestenfalls einen sozialen Querschnitt der deutschen Konsumgesellschaft wider. Studien von Sozialwissenschaftlern zeichnen jedoch ein gänzlich anderes Verbraucherverhalten im unteren Einkommensdrittel: So geben Millionen Bürger aufgrund der in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Mieten einen weit höheren Anteil ihres Einkommens für Wohnraum aus.
Auch die Ausgaben für Energie und Nahrungsmittel sind „unten“ in der Gesellschaft weit höher, als es die amtliche Statistik nahelegt. Doch gerade diese Posten gelten als Preistreiber. Für die Armen dürfte die tatsächliche Inflationsrate also im echten Leben höher sein.
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