Interview mit Pirat Reinhardt: „Abgeordnete für dumm gehalten“

Kleine Fraktionen und einzelne Parlamentarier brauchen in Berlin mehr Rechte, fordert Pirat Fabio Reinhardt. Mittwoch verhandelt das Verfassungsgericht die Klage seiner Fraktion.

Fabio Reinhardt (links) im Abgeordnetenhaus, in Aktion. Bild: dpa

taz: Herr Reinhardt, am Mittwoch verhandelt das Berliner Verfassungsgericht Ihre Klage, mit der kleine Fraktionen im Abgeordnetenhaus mehr Rechte erhalten sollen. Für die Piraten war die Klage nach dem Parlamentseinzug 2011 eine der ersten Handlungen. Warum?

Fabio Reinhardt: Wir hatten die Geschäftsordnung angesehen und uns doch sehr gewundert. Als Piraten haben wir ein positives Menschenbild. Die Parlamentsregeln gehen aber offenbar davon aus, dass ein Abgeordneter dumm oder destruktiv ist.

Eine steile These. Warum das denn?

Ich gehe erstmal davon aus, dass jeder Abgeordnete konstruktiv mitarbeiten will, dass er Anträge einreichen und Anfragen stellen will. Der Tenor der Geschäftsordnung aber ist: Wenn hier jeder Anträge stellen kann, dann sitzen wir bis nachts.

Bisher kann ein einzelner Abgeordneter nur kleine Anfragen stellen, für alles andere braucht er die Fraktion. Genau das will Ihre Klage abschaffen. Was tatsächlich mehr Anträge und Anfragen bedeuten dürfte.

Das kann schon sein. Es geht dabei aber um eine Grundsatzfrage: Was ist unser Bild eines unabhängigen Parlamentariers? Kann ein Abgeordneter auch Anträge stellen, wenn seine Fraktion dies kritisch sieht?

32, seit 2011 für die Piraten im Abgeordnetenhaus, hat die Klage seiner Fraktion mit ausgearbeitet.

Ihre Partei erlaubt das. Sie hatte 2011 angekündigt, ohne Fraktionszwang abzustimmen. In der Praxis passiert das aber selten.

Es ist ja auch nicht verkehrt, sich als Fraktion eine Meinung zu bilden. In Einzelfällen geht’s aber schon auseinander.

Zum Beispiel?

Mein Kollege Gerwald Claus-Brunner stimmt grundsätzlich gegen alle Verkäufe von Landeseigentum, die Mehrheit der Fraktion ist eher dafür, den Einzelfall zu prüfen. Aber wir wollen abweichende Meinungen nicht kleinhalten, wie das in vielen anderen Fraktionen passiert.

Ihre Klage fordert auch mehr Vizepräsidenten: Bisher stellen die nur CDU und Grüne.

Das ist eine ganz konkrete Benachteiligung. Bloß weil die Linkspartei und wir ein paar Sitze weniger haben, dürfen wir keinen Vizepräsidenten stellen? Im Bundestag steht das doch auch allen Fraktionen zu.

Offiziell heißt es: Man wolle keine Extra-Kosten für Büros oder Dienstwagen.

Die Ausstattung ist uns egal. Es geht um Gleichberechtigung. Ein Vizepräsident leitet und kontrolliert Sitzungen, kann den Parlamentsbetriebe wesentlich beeinflussen. Es ist ungerecht, wenn dieser Einfluss nur einzelnen Fraktionen zusteht.

Gewinnt Ihre Klage, könnte künftig auch jede Fraktion eigenständig Sondersitzungen beantragen. Die Koalition fürchtet schon Dauersitzungen.

Da wären wir wieder beim Parlamentarierbild. Es geht auch hier um Chancengleichheit: Große Fraktionen wie die SPD müssen sich nur einig sein, dann bekommen sie eine Sondersitzung. Wir Kleinen müssen rumrennen und Verbündete suchen. Das ist ungerecht.

Das Abgeordnetenhaus diskutiert ja gerade eine Refomr. Warum kommen diese Punkte dabei nicht vor?

Wir haben das angesprochen. Aber klar ist doch: Wenn uns das Verfassungsgericht Recht gibt, dann werden diese Punkte natürlich zusätzlich umgesetzt.

Was glauben Sie: Bekommen Sie Recht?

Wir sind vorsichtig optimistisch, dass uns das Gericht in vielen Punkten zustimmen wird.

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