Verschwörungstheorien über Ufos: Nicht von dieser Welt

Besitzt die Regierung Geheimwissen über fliegende Untertassen? Ein Ufo-Fan klagte in Berlin auf Akteneinsicht und unterlag jetzt. Sehr verdächtig.

Foto der US-Armee aus einem Bericht zum „Roswell-Zwischenfall“, der bis heute Stoff für Ufo-Theorien bietet. Bild: reuters

BERLIN taz | Fliegende Untertassen. Seit 20 Jahren befasst sich Frank Reitemeyer mit der Frage, ob da nicht gelegentlich etwas am Himmel schwirrt, was nicht so ganz von dieser Welt ist. Mit eigenen Augen gesehen hat der Berliner bisher noch keine Ufos. Aber diese Indizien!

In Belgien sei gar die Luftwaffe auf Flugobjekte gestoßen, die „in einem Affenzahn“ durch die Gegend düsten. „In 21 Ländern der Welt wird das Ufo-Phänomen untersucht“, sagt Reitemeyer. Die deutsche Behörden hüllen sich dagegen in Schweigen. Verdächtig, findet er.

Deswegen ist Reitemeyer vor Gericht gezogen. Er will, dass der Bundestag ihm ein Dokument zugänglich macht, das den Namen trägt: „Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischem Leben“. Ein „etwas komplizierter Titel“, wie einer der Richter meint, dem Reitemeyer am Mittwoch in Saal 320 des Berliner Oberverwaltungsgerichts gegenübersitzt. Die Vorinstanz hatte Reitemeyer recht gegeben. Doch der Bundestag ging in Berufung. Verdächtig, findet Reitemeyer.

In der Verhandlungspause zieht Reitemeyer einen Brief aus der Hemdtasche – vom Verteidungsministerium, dem er vor drei Jahren geschrieben hatte. Er tippt auf den entscheidenden Passus: Seit Bestehen der Bundeswehr sei kein Fall bekannt, in dem tatsächlich ein Ufo gesichtet worden sei, so das Ministerium, für jedes unbekannte Flugobjekt habe sich stets eine plausible Erklärung gefunden.

Auch vom Bundeskanzleramt kam nichts

Reitemeyer schrieb dem Bundeskanzleramt. Auch da: keine Auskunft über Außerirdisches. „Wie soll ich als Bürger mir eine Meinung zum Ufo-Phänomen bilden können, wenn die Regierung keine Informationen herausgibt?“, sagt Reitemeyer.

Auch Robert Fleischer, gewissermaßen der Chef-Lobbyist für Alienbelange, ist zum Prozess gekommen. Er koordiniert „Exopolitik Deutschland“, eine Initiative, deren Ziel laut Website darin besteht, „die Öffentlichkeit über Hinweise auf eine außerirdische Präsenz auf unserem Planeten zu informieren“. Dem russischen Fernsehen gibt er vor der Tür zu Saal 320 ein Interview: „In 21 Ländern der Welt wird das Ufo-Phänomen untersucht.“

Drinnen im Verhandlungsraum geht es eher nüchtern zu. Die Richterin blättert im Gesetzestext zum Urheberrecht. Es geht darum, welche Bereiche der Tätigkeit eines Abgeordneten vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt sein sollten. Der Leitfaden des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages wird exegiert, das Verhältnis von Ziffer 5.1 zu Ziffer 5.2 ausführlich erörtert. Reitemeyer macht sich Notizen in kleiner Schrift, zwischendurch unterdrückt er ein Gähnen.

Auch für das Gericht geht es ums Grundsätzliche: Wie weit reicht das Informationsfreiheitsgesetz, das grundsätzlich jedem Bürger den Zugang zu Akten des Bundes gewährleistet? Sind davon auch Ausarbeitungen betroffen, die Bundestagsabgeordnete beim Wissenschaftlichen Dienst anfordern? Oder ist ein Abgeordneter in seiner freien Willensbildung beeinträchtigt, wenn solche Dokumente jederzeit öffentlich werden können? Das Gericht entschied zugunsten des Bundestages: Die Ufo-Akte darf geheim bleiben.

Ursprung war eine Bürgeranfrage

Bahnbrechende Erkenntnisse über Klingonen im Kanzleramt hätte sie wohl ohnehin kaum geliefert. Warum auch? Das nächste Sonnensystem, in dem es erdähnliche Planeten mit intelligenten Bewohnern geben könnte, ist vier Lichtjahre entfernt. Eine Raumsonde bräuchte 32.000 Jahre, um uns zu erreichen – schwer vorstellbar, dass Aliens zur Stippvisite vorbeifliegen.

Dass sich der Bundestag überhaupt mit einer so fernliegenden Frage beschäftigt hat, ist einer Bürgeranfrage aus dem Exopolitik-Umfeld zu verdanken: Eine CDU-Abgeordnete beauftragte daraufhin den Wissenschaftlichen Dienst.

Das Ergebnis ist, wenn man Presseberichten glauben darf, eher banal: Der Wissenschaftliche Dienst spekuliert in dem Dokument, dass die Regierung zu Zeiten des Kalten Krieges Ufo-Meldungen nachgegangen sein könnte, weil es sich ja um Spionage- und Kampfflugzeuge hätte handeln können.

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