Lack und Leder im Film: Das Fetisch-Seminar

Das Kieler Fetisch Film Festival stellt extravagante sexuelle Praktiken nicht aus, sondern reflektiert über sie. Doch es mangelt an Besuchern.

Eintauchen in die S&M-Szene: mit dem Film „Interior Leather Bar“. Bild: Fetisch Film Festival

BREMEN taz | Nein, die reine Schaulust soll hier nicht befriedigt werden. Die Veranstalter des Fetisch Film Festivals, das ab Donnerstag in Kiel stattfindet, haben einen anderen Anspruch: Gezeigt werden keine Produkte der Porno-Industrie, sondern zum größten Teil die Werke von unabhängigen Filmemachern, in denen sexuelle Praktiken nicht ausgestellt werden, sondern über sie reflektiert wird.

Ein Indiz dafür, dass das Festival als ein Forum mit einer „subkulturell-emanzipatorischen Intention“ betrieben wird, ist der überschaubare Publikumszuspruch. Voll wird der Laden aller Voraussicht nach nur am Samstagabend zum Abschluss des Festivals bei der „Fetisch-Traum-Party“, die es schon viel länger als das Filmfest gibt. Bei der feiert dann die SM- und Fetisch-Subkultur von Schleswig-Holstein.

Zwischen Festival und Fest ist die Schnittmenge gering, und so sind die Veranstalter zufrieden, wenn um die 25 Zuschauer pro Vorstellung kommen. In diesem Jahr dürften es sogar ein wenig mehr werden, denn mit Roman Polanskis „Venus im Pelz“ passt ein Film aus dem normalen Programm des alternativen Programmkinos so perfekt ins Festival, dass er dort auch gezeigt wird, und zwar an allen drei Tagen.

In den letzten Jahren ist das Festival immer kleiner geworden. 2008 dauerte es noch zehn Tage. Aber der ehrgeizige Entwurf rechnete sich nicht, weil die Besucherzahlen pro Vorstellung einstellig waren. Erstaunlich ist, dass der Gründer und Programmchef Andy damals nicht aufgegeben hat.

Inzwischen wird so sparsam gewirtschaftet, dass Regisseure, die ihre Filme vorstellen und danach mit dem Publikum diskutieren, Anreise und Hotel selber zahlen müssen. Das Festival bekommt keinerlei öffentliche Fördermittel. Die Veranstalter haben noch nicht einmal Anträge gestellt und liegen wohl auch richtig mit ihrer Einschätzung, dass so eine Veranstaltung bei den Fördergremien kaum eine Chance haben dürfte.

Dabei erfüllt das Festival eines der wichtigsten Kriterien für eine Förderung perfekt: Förderungswürdig ist nach den Statuten ein Projekt vor allem dann, wenn es durch ein „Alleinstellungsmerkmal“ hervorsticht. Dieses ist beim Fetisch Film Festival kaum zu toppen.

Auch international gibt es keine vergleichbare Veranstaltung, vielmehr wird bei Underground-Festivals in Madrid, London und Sydney inzwischen „The Best of German Fetish Film Festival“ nachgespielt. Diese internationale Ausstrahlung ist für das heimische Publikum aber eher kontraproduktiv. Die Filme sind meist englischsprachig und laufen ohne Untertitel. Man kann durchaus von einem Seminar-Charakter der Vorführungen sprechen.

Das Publikum besteht zum größten Teil aus Kennern, die Filmemacher schauen sich die Filme ihrer Kollegen an und in den Diskussionen wird es zum Teil filmtheoretisch anspruchsvoll. Zu den internationalen Freunden des Festivals zählt die Domina Domenique von Sternenberg, die zusammen mit ihrem „Sekretär“ jedes Jahr aus der Schweiz anreist und auf ihrer Homepage ausführlich über jeden von ihr gesehenen Film bloggt.

Im letzten Jahr waren dies noch über 40 Filme. Das aktuelle Programm ist nun eher eine Sparausgabe mit um die zwanzig Filmen, die in fünf Vorführungen gezeigt werden. Immerhin kommen ein dänischer Regisseur und drei italienische Filmemacher.

Einer von ihnen ist Giovanni Aloi. Er stellt seinen Film „Pan Play Decadence“ vor, in dem er von einer Gruppe von Freidenkern erzählt, die ihre Vorliebe für das Sprengen von Geschlechterrollen vereint. Regelmäßig treffen sie sich in einem Club und leben dort ihre sexuellen Präferenzen aus, zu denen Fesselung, Lederfetischismus, extreme Unterwürfigkeit und Körpermodifikationen gehören.

In „Remedy“ von Cheyenne Picardo ist die Protagonistin eine Domina, die in einem Studio in New York arbeitet und durch die Rollenspiele, die sie für ihre Freier unternimmt, ein neues Selbstverständnis entwickelt.

Um einen Fetisch-Kultfilm geht es in „Interior Leather Bar“ von James Franco und Travis Mathews. Der Film rekonstruiert jene 40 Minuten, die im Jahr 1980 aus William Friedkins Film „Cruising“ herausgeschnitten wurden, damit der Film eine Altersfreigabe bekommen konnte. „Cruising“ erzählt von einem Polizisten (Al Pacino), der in die S&M-Szene von New York eintaucht, um dort Morde an Schwulen aufzuklären.

Sehr gelungen sind zwei Kurzfilme im Programm. In der Dokumentation „The Contract“ von Lina Mannheimer wird ein faszinierendes Liebesverhältnis vorgestellt: Eine etwa fünfzigjährige Französin hat darin einen Vertrag mit einer etwa zwanzig Jahre älteren Frau abgeschlossen, in dem sie sich bis zum Tode als deren Sklavin verpflichtet. Die beiden leben liebevoll miteinander und sprechen gelassen und klug über ihr Verhältnis. Der Film zeigt einen allen Konventionen widersprechenden Lebensentwurf, der die Beteiligten glücklich zu machen scheint.

In „Krutch“ von Clark Matthws folgt die Kamera der körperlich behinderten Mia Gimp durch die Straßen von Manhattan, durch die sie mühsam mit einer Krücke humpeln muss. In einer Parallelmontage zu diesem Leidensweg sieht man, wie sie sich zu Hause entspannt selbst befriedigt. Diese sehr sinnlich fotografierten Sequenzen bewirken, dass man die Protagonistin nicht mehr als bemitleidenswertes Geschöpf, sondern als eine Frau sieht, die selbstbewusst ihre Sexualität auslebt.

Fetisch Film Festival: 28. bis 30. 11., Traum GmbH, Kiel

Vor kurzem gewann „Krutch“ in Toronto den „Feminist Porn Award“. Auch sowas gibt’s.

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