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Personalmangel in der JustizWer soll es jetzt richten?

Acht von zehn Staatanwältinnen und Staatsanwälten beklagen sich über Zeitnot. Den Bundesländern geht das Personal an Gerichten aus.

Kann nicht mehr abgefrühstückt werden. Akten warten auf Einsicht. Bild: dpa

HAMBURG afp | Bundesweit fehlen Staatsanwälte und RichterInnen an Gerichten laut eines Pressebericht des Spiegels. Teils drastisch unterbesetzt seien vor allem die Gerichte in Niedersachsen, Bayern und Hessen, geht aus einer internen Statistik der Bundesländer hervor.

Demnach habe allein Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr die Personalvorgaben bei Straf- und Zivilrichtern um 13 Prozent, bei Staatsanwälten sogar um 16 Prozent unterschritten. Nach Berechnungen des Richterbundes müsste das Land rund 700 Richter und Staatsanwälte einstellen.

In einer noch unveröffentlichten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach klagen laut Spiegel 72 Prozent der Richter und Staatsanwälte, dass sich die Bedingungen für eine gute Rechtsprechung in den letzten Jahren verschlechtert hätten. 85 Prozent der im Auftrag der Rechtsschutzversicherung „Roland“ befragten Juristen beurteilen die personelle Ausstattung der Gerichte als „schlecht“. Vier von fünf Staatsanwälten gaben an, sie hätten nicht genug Zeit für die Bearbeitung ihrer Fälle.

Die dem „Spiegel“ vorliegende repräsentative Studie unter 1770 RichterInnen und StaatsanwältInnen ergab zudem, dass sich fast drei Viertel der Staatsanwälte in Wirtschaftsverfahren den VerteidigerInnen der Angeklagten unterlegen fühlten.

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9 Kommentare

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  • B
    Bastler4711

    Das ist halt das Problem mit der oft einstelligen Lebensarbeitszeit bei Beamten.

     

    Das ist oft zu wenig, um überhaupt mit der Arbeit anzufangen.

  • F
    Fragwürdig

    Wie passt das mit der Aussage zusammen, dass Knäste zunehmend zu Hotels umgestaltet werden, weil es immer weniger Häftlinge gibt???

    Liegt das in der Überlastung der Gerichte? Oder sind etwa bei den Strafgerichten Ressourcen frei? Wenn ja, könnte man ja zumindest die

    nicht fachspezifischen juristischen Zuarbeiten von rangniederen Angestellten aus dem Strafressort erledigen lassen. Natürlich ist man auch für die Fortsetzung eines kontinuierlichen Gerichtsbetriebes und für Neueinstellungen. Aber es muss nicht jede Verlegenheitslösung genommen werden.

    Wochenlanges Liegenlassen von Schwerverletzten PartnerInnen in den eigenen Exkrementen mit

    Bewährungsstrafen zu ahnden, ist gelinde gesagt abnorm!

    Also es kommt wirklich darauf an, wer diesen Beruf ausübt und nur Staates Geld sparen, kann es auch nicht sein.

  • H
    Horst

    Das Gegenteil ist richtig. Die Justiz ist grotesk überbesetzt. Man sollte zügig mindestens 2/3 aller Staatsanwälte und 4/5 aller Richter entlassen. Wenn man dann die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte abschafft und Richter auf 4 Jahre direkt vom Volk gewählt werden, funktioniert die Justiz auch wieder.

    • @Horst:

      also wenn hier was gestanden hätte von grotesken strafprozessualen Gepflogenheiten und antiquierten Verfahrensvorschriften...., aber hier träumt wohl jemand vom Dorfrichter Adam, oder was?

  • Das hat auch was mit der Selektion im Vorfeld zu tun. Vielleicht sollte man Richter nicht länger nur aus braunen Burschenschaften rekrutieren.

    • G
      gast
      @Rainer B.:

      lol, dafür haben sie sicherlich jedemenge Beispiele oder? Ich glaube ja eher an eine zu linksgerichtete Justiz, in der Straftäter nach kurzer Zeit wieder frei sind und deswegen auch in kurzer Zeit die Gerichte schon wieder beschäftigen.

      • @gast:

        Klar! Alle wegsperren löst natürlich sämtliche Probleme dieser Gesellschaft. Wenn die Justiz so linksgerichtet wäre, wie Sie behaupten, würden die zahlreichen Neonazi-Dumpfbacken im Umfeld des NSU längst einsitzen. Ich wünschte, Sie hätten recht.

  • O
    Olli

    Der oft reiche, wegen Wirtschaftskriminalität Angeklagte hat praktisch unendliche exzellente juristische Ressourcen, während sich bei der Staatsanwaltschaft, dem Gericht bereits die Akten aus anderen Verfahren ansammeln. Das führt dazu, dass bei Wirtschaftsstrafsachen sehr oft ein sehr sehr guter "Deal" für den Angeklagten drin ist.

    Praktisch bedeutet das eine Bevorzugung von Wirtschaftskriminellen aufgrund von Waffenungleichheit zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft/Gericht.

    • G
      gast
      @Olli:

      Es könnte ja auch einfach sein, dass wenn es um Wirtschaftsdelikte geht, es oft um große Unternehmen geht, mit erheblichen finanziellen Mitteln, die sich die besten Anwälte leisten können, während die Staatsanwaltsschaft, denn zuständigen Staatsanwalt hat, ob dieser nun gut oder schlecht ist.