Präsidentschaftwahl in Chile: Bachelet schafft das Double

Die Sozialistin Michelle Bachelet wird wieder Präsidentin. Ihren Erfolg verdankt sie der Schwäche der Rechten. Nicht-WählerInnen sind die neue Mehrheit.

Michelle Bachelet: Die erste Frau, die seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 zum zweiten Mal Präsidentin wird. Bild: ap

BUENOS AIRES taz | Michelle Bachelet schafft das Double. Zum zweiten Mal wird die 62-Jährige Sozialistin zu Chiles Staatspräsidentin gewählt. Am Sonntag gewann sie die Stichwahl mit 62,2 Prozent der Stimmen. Alles andere als ein Triumpf wäre eine Überraschung gewesen. Evelyn Matthei, die Kandidatin der rechten Allianz für Chile schaffte mit 37,8 Prozent der Stimmen lediglich einen Achtungserfolg. „Sie hat gewonnen, es ist eindeutig“, fügte sich Matthei in die Niederlage.

War Michelle Bachelet 2006 die erste Frau, die in Chile die Präsidentschaftswahl gewann, so ist sie nun auch die erste der Ex-PräsidentInnen, die seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 zum zweiten Mal in den Präsidentenpalast La Moneda einzieht. Diesmal als die gewählte Kandidatin des Mitte-Links-Bündnisses „Nueva Mayoria“, dem neben Christdemokraten, Sozialdemokraten und Sozialisten zum ersten Mal auch die Kommunisten angehören.

Zweitwichtigste Nachricht des Wahlsonntags ist die geringe Wahlbeteiligung von gerademal 42 Prozent der rund 13,3 Millionen Wahlberechtigten. In absoluten Zahlen stimmten lediglich knapp 3,5 Millionen ChilenInnen für Bachelet. Nicht gerade viele Stimmen, für eine Präsidentin, die grundlegende Reformvorhaben angekündigt hat. 2,1 Millionen entschieden sich für Matthei.

Die überwältigende Mehrheit von 7,7 Millionen Wahlberechtigten blieb den Urnen fern. Die Abneigung gegen die parteipolitische Klüngel- und Vetternwirtschaft ist nach 20 Jahren mitte-linker Regierungskoalition und vier Jahren rechter Regentschaft tief verwurzelt. Zum großen Teil aus „Misstrauen gegenüber der Politik“, erklärte die zukünftige Präsidentin am Wahlabend die Abstinenz. Es gehe nun auch darum, das Vertrauen „nicht in mich, sondern in die Demokratie zurückzugewinnen“, fügte Bachelet hinzu.

Große Reformen sind angekündigt

Mit ihrer ersten Rede trug sie jedoch nicht dazu bei. Im Wahlkampf hatte sie eine Verfassungs-, Steuer- und Bildungsreformen versprochen. Am Wahlabend machte Bachelet sich bereits die Hintertür auf. Solche Reformen „sind Aufgaben, die eine Amtszeit überschreiten“, sagte sie. In Chile gelten noch immer die Verfassung sowie die Bildungsgesetze aus der Zeit der Pinochet-Diktatur. Private Unternehmen zahlen fast keine Steuern.

Michelle Bachelet hatte in ihrer ersten Amtszeit von 2006 bis 2010 keinen wirklichen Reformwillen gezeigt. Ihre ersten Amtsjahre wären von massiven Schülerprotesten für ein besseres Schulsystem geprägt und dem Verkehrschaos, das die Einführung des neuen Nahverkehrssystem Transantiago in der Hauptstadt hervorrief. Erst allmählich gelang es ihr, sich als Führungsperson innerhalb der sie tragenden Parteienallianz zu behaupten und in der Bevölkerung tatsächliche Anerkennung zu gewinnen.

Ihr Prunkstück war ein Maßnahmenpaket, das Chile gegen die Auswirkungen internationaler Krisen schützen soll. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 hat der Andenstaat deshalb auch gut überstanden. Das Ende ihrer ersten Amtszeit war überschattet von den Folgen eines Erdbebens und dem davon ausgelösten Tsunami, die vor allem die Bevölkerung der südlichen BioBío-Region traf. Bachelet wurde für ihre zögerliche Katastrophenpolitik heftig kritisiert. Dennoch, mit einem Sympathiewert von 80 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung übergab sie im März 2010 das Amt an den konservativen Nachfolger Sebastián Piñera.

Keine Mehrheit für Verfassungsreformen

Bachelet kann im neuen Kongress auf eine eigene Mehrheit bauen. Im Senat besetzt das Mitte-Links-Bündnis Nueva Mayoria (NM) 21 Sitze, während die Allianz für Chile 16 Senatoren der insgesamt 38 Senatoren stellt. Im Abgeordnetenhaus ist die NM mit 67 Mandaten vertreten, die Allianz mit 49. Hier füllen vier unabhängige Abgeordneten die Gesamtzahl von 120 Sitzen auf.

Die Abstimmungslage ist dennoch nicht einfach, denn für tiefer gehende Reformen verfügt Bachelet über keine Mehrheit. So ist für eine Verfassungsreform die Zustimmung von mindestens 25 Senatoren und 80 Abgeordneten notwendig.

Bachelet verdankt ihren Wahlerfolg auch dem desolaten Zustand der chilenischen Rechten. Die pinochettreue Unión Demócrata Independiente (UDI) erlebte mit ihrer Kandidatin Matthei möglicherweise ihr letztes Aufbäumen. Nicht wenige rechnen damit, dass die Allianz zwischen der UDI und der etwas weniger extremen Renovación Nacional (RN) zerbricht.

Dann könnte sich die Parteienlandschaft auf der rechten Seite nicht nur neu formieren, sondern sich auch Teile davon an den notwendigen Reformvorhaben beteiligen. Und ohne die Hilfe der rechten Opposition wird auch Michelle Bachelet in ihrer zweiten Amtszeit keine grundlegenden Reformen umsetzten können.

Gute wirtschaftliche Lage

Betrachtet man nur die Wirtschaftsdaten, geht es dem Land gut. Das Wirtschaftswachstum pendelte in den vergangenen Jahren zwischen vier und sechs Prozent jährlich. Die Achillesferse ist jedoch die Anhängigkeit von den internationalen Rohstoffpreisen, allen voran vom Kupferpreis.

Produzierte Chile 1990 gut 1,5 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr, so lag die Produktion im Jahr 2012 nach staatlichen Angaben bei 5,4 Millionen Tonnen. Nach der letzten Erhebung der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik stammen von 100 Dollar, die Chile durch Export erzielt, 89 Dollar aus dem Verkauf von Rohstoffen. Die Hälfte davon fahren Erze und Metalle ein.

Offiziell ist der Anteil der Armen in der Bevölkerung von rund 39 Prozent im Jahr 1990 auf knapp 15 Prozent im Jahr 2012 gesunken. Die Arbeitslosenquote lag bei 6,4 Prozent. Trotzdem hat sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet und die Zahl derer, die beim Verlust des Arbeitsplatzes sofort in die Armut abrutschen ist groß.

Chile liegt hinter Brasilien an zweiter Stelle der Ungleichverteilung des Einkommens in Südamerika. Bemisst man Chile mit dem Gini-Koeffizienten, der die durch das Einkommen verursachte Ungleichheit misst, liegt Chile zwischen Nicaragua und Papua-Neuguinea. Noch immer ist die soziale Grenze zwischen oben und unten mit dem Messer gezogen und wenn, dann nur nach unten durchlässig.

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