Stimmen zum EuGH-Urteil zu Google: „Es ist verrückt“

Stärkung der Persönlichkeitsrechte oder Eingriff in die Pressefreiheit? Presseschau zum Google-Urteil des EuGH über ein „Recht auf Vergessenwerden“.

Google könnte demnächst Tausende Anträge auf Löschung von Links bekommen. Bild: dpa

BERLIN taz | Während das Urteil in Europa tendenziell eher begrüßt wird, sehen viele amerikanische Kommentatoren eine Gefährdung der Meinungs- und Pressefreiheit.

faz.net: „Nun sind die Brüsseler Richter den Politikern zuvor gekommen. Und sie haben richtig entschieden….Die Auslegung der Richter ist nur konsequent. Längst sind Dienste wie Google und Yahoo keine reinen Suchdienste mehr, sondern globale Datenaggregatoren von nie gekannter Dimension“

Süddeutsche Zeitung: „Die Urteile, die dieser Gerichtshof neuerdings fällt, sind die beste Werbung für Europa, die es derzeit gibt – für ein Europa der Bürger und der Bürgerrechte….Google ist nicht der Pontius Pilatus des Internets; Google kann also nicht einfach seine Hände in Unschuld waschen, wenn es auf Internet-Seiten mit falschen oder kompromittierenden Daten verweist….Die Zeit, in der man den Eindruck haben konnte, das Recht kapituliere vor den Großen des Internets, geht damit zu Ende.”

Der Deutschlandfunk zitiert La Charente Libre (Frankreich): „Das Recht auf nachträgliche Kontrolle der Bürger wird von Google und anderen Internet-Riesen wie Facebook zwar heftig kritisiert. Eine Reglementierung der massiven Verbreitung und Verwendung privater Daten ist aber unverzichtbar. Dieses Urteil ist ein erster Sieg auf dem Weg dorthin."

Jimmy Wales (einer der Gründer von Wikipedia): „Es ist schockierend, dass so eine Regelung von der EU kommt und nicht von einem autoritärem Staat. […] Wird von Google jetzt erwartet, dass es weite Sphären des Web zensiert? Müssen sie einen komplexen Zensurapparat aufbauen, um Informationen zu blocken, die nach dem Willen des Gerichts nicht verlinkt werden dürfen? Es ist verrückt.“

Jeffrey Rosen (Amerikanische Rechtsprofessor): „Das könnte Google eher in einen Chefzensor für die Europäische Union als in eine neutrale Plattform verwandeln.“

Der Spiegel zitiert La Repubblica (Rom):"Die Entscheidung des Gerichts ist beispiellos. Und das ist sie wortwörtlich: Niemand ist jemals bis zu diesem Punkt vorgedrungen, um die Rechte der Bürger im Netz durchzusetzen."

Paul Lewis (BBC-Journalist über Twitter): „Die Entscheidung des europäische Gerichtshofs wird nicht gewöhnlichen Leuten helfen, sondern öffentlichen Personen erlauben, ihre beschämende Vergangenheit zu verbergen."

Die Times (London): „Dieses Recht auf Vergessen ist keine gute Sache. Es bedeutet letztendlich, anderen Menschen die Erinnerung zu verbieten. Webnutzern wird der Zugang zu öffentlich verfügbaren Informationen verweigert.“

New York Times: „Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs kann alles entfernt werden, was unangemessen, irrelevant oder nicht länger relevant ist. Wann genau das der Fall ist, sagten die Richter aber nicht. Der Wunsch jedes Einzelnen, Informationen über sich zu entfernen, ist zwar verständlich - wenn es zum Beispiel um kompromittierende Fotos in sozialen Netzwerken geht. Aber der Gesetzgeber sollte keine Rechte schaffen, die so mächtig sind, dass sie die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken.“

The Guardian (London): „Das Ergebnis ist entweder eine gruselige Parallele zu Chinas Zensur von Suchergebnissen oder ein enormer Anreiz für technische Investoren sich aus Europa zu verziehen. Keines von beiden scheint im Entferntesten wünschenswert.“

CNN (Atlanta): „Der potenziell abschreckende Effekt des Urteils könnte diejenigen, die gegen das Recht sind, dazu bringen ihre bereits beträchtlichen Lobbyanstrengungen zur Abschaffung des Rechtes zu verdoppeln und so diese Regulierung irrelevant zu machen. Wie sich die Situation jetzt darstellt, hat das Gericht eine Urteil erlassen, das einen großen Einfluss darauf haben könnte, wie Suchmaschinen arbeiten und wie wir das Internet in Zukunft benutzen.“

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