David Cameron auf Konfrontationskurs: Juncker? Nie gehört!
Die EU-Wahl hat die britische Regierung geschwächt. Jetzt setzt sie auf Streit mit Brüssel. Die Kür des Präsidenten ist nur ein Kampf unter vielen.
DUBLIN taz | Es passt so schön ins Bild, das man sich von den Briten in Sachen Europa gemacht hat: Sie seien der Störenfried, der immer wieder Einigungen auf europäischer Ebene torpediere. So berichteten mehrere Zeitungen, der britische Premierminister David Cameron habe gewarnt, dass die Ernennung von Jean-Claude Juncker zum EU-Kommissionspräsidenten seine Partei destabilisieren und ihn zwingen könnte, das für 2017 geplante Referendum über Großbritanniens Verbleib in der EU ein Jahr vorzuziehen. Juncker beschuldigte Cameron daraufhin eines Erpressungsversuchs.
Die britische Regierung hat längst dementiert, dass Cameron diese Sätze gesagt habe. Richtig ist allerdings, dass er Juncker ablehnt. Die Kommission müsse von Leuten geleitet werden, die „es kapieren“ und verstehen, dass sie „zu groß, zu diktatorisch, zu einmischend“ geworden sei, hat er gesagt. Deshalb habe er eine starke Abneigung gegen jemanden, von „dem noch nie einer etwas gehört hat“.
Die Spitzenkandidaten Schulz und Juncker spielten im britischen Wahlkampf keine Rolle. Ihre Debatten wurden weder im Fernsehen übertragen, noch wurde danach in der Presse darüber berichtet. Keine britische Partei ist in Junckers EVP vertreten. Deshalb erscheint es den Briten absurd, dass Juncker Wahlsieger sein soll.
Nun hat sich auch der ehemalige britische Premier, Tony Blair, in die Debatte eingemischt. Er glaube nicht, dass die Wähler in Europa wirklich gedacht haben, sie wählten einen Kommissionspräsidenten, hat er gesagt: „Die Menschen fühlen sich mit dem Europaparlament nicht so verbunden, wie wir es gerne hätten. Man muss sehr vorsichtig sein mit der Vorstellung, das Wahlergebnis sei ein Votum für bestimmte Leute als Präsident.“
Am Ende gehe es doch darum, die beste Person für den Job zu finden, fügte er hinzu. Was wie eine Bewerbung klang, sei keine, versicherte Blair: Er stehe für den Posten nicht zur Verfügung.
Die Briten sind ja nicht die einzigen, die ein Problem mit Juncker haben. „Ein Gesicht der achtziger Jahre kann die Probleme der kommenden fünf Jahre nicht lösen“, hat Cameron gesagt. Damit ist er auf Kollisionskurs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte am Montag gesagt, sie würde Großbritannien gerne in der EU behalten, aber all ihre Gespräche zielten darauf ab, dass Jean-Claude Juncker die erforderliche Mehrheit im Rat bekomme.
Einwanderung einschränken
Cameron verlangt auf Druck seiner Hinterbänkler Reformen in der EU, um die Einwanderung aus anderen EU-Ländern einzuschränken. Sollten diese Reformen nicht zustande kommen, verlangen diese Hinterbänkler, das Referendum über den britischen EU-Verbleib vorzuziehen, am liebsten hätten sie es schon am Tag der Parlamentswahl im nächsten Mai.
Schatzkanzler George Osborne sagte am vergangenen Wochenende ominös, es könnte für die Regierung problematisch werden, die Zahl der EU-Immigranten bis dahin in den fünfstelligen Bereich zu senken, wenn es keine EU-Reform gebe. „Es erfordert eine Neuverhandlung über unsere EU-Mitgliedschaft, ein Referendum, so dass die Briten entscheiden können“, sagte er.
Einigkeit herrscht in der Regierung bei dieser Frage freilich nicht. Mehrere Minister wiesen darauf hin, dass die EU-Kommission eindeutig erklärt habe, das Prinzip der freien Niederlassungsrechts in der EU sei nicht verhandelbar.
Klare Niederlage bei Europawahl
Cameron erscheint aus Brüsseler Sicht nach der Europawahl geschwächt, denn seine Partei landete hinter der europafeindlichen Ukip und der Labour Party nur auf dem dritten Platz. Die Tory-Hinterbänkler, die aufgrund der seit Jahren stärker werdenden Ukip-Konkurrenz um ihre Sitze bangen, haben Cameron die EU-Debatte aufgedrängt. Dabei ist Ukip bei Parlamentswahlen noch immer recht erfolglos. Laut Umfragen haben die Tories 15 Prozent Vorsprung.
Cameron hätte das Thema EU gerne ignoriert. Aber die Probleme der Tories mit Europa haben Tradition: Camerons Vorgänger Margaret Thatcher, John Major und Tony Blair hatten mit der wachsenden Abneigung der Briten gegen die EU zu kämpfen, und je mehr sie ihren Einfluss ausdehnte, desto suspekter wurde sie den Briten.
Cameron will das Problem nun ein für alle Mal mit Verhandlungen über eine EU-Reform lösen, die er schon vor anderthalb Jahren angekündigt hat. Nach der Finanz- und Eurokrise hält er diese Reformen für die ganze EU für erforderlich. Und er will Großbritanniens Position in der EU endgültig klären, indem er den Wählern die Entscheidung überlässt, ob sie bei dieser reformierten EU dabei sein wollen oder nicht.
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