Großbrand im Spreepark: Alt-England geht in Rauch auf

Im ehemaligen Vergnügungspark in Plänterwald bricht an zwei Stellen Feuer aus – und vernichtet ohnehin marode Kulissen. Polizei und Feuerwehr rechnen mit Brandstiftung.

Jetzt auch im Wortsinn abgebrannt: der Spreepark. Bild: dpa

„Da sind schon wieder zwei Touristen über den Zaun geklettert“, ruft die Security-Frau in ihr Telefon, „komm du von hinten, dann kreisen wir sie ein!“ Sie spurtet einen der zugewucherten Wege hinunter. Am Tag nach dem Großbrand auf dem ehemaligen Spreepark in Plänterwald hat der Wachschutz schon wieder die üblichen Sorgen: junge Leute, die unerlaubt in das Gelände eindringen, um ein kleines Abenteuer in den Ruinen des einstigen Rummels zu erleben.

In der Nacht auf Montag brach ein Feuer in „Alt-England“ aus, einer ohnehin schon maroden Showkulisse aus mehreren Gebäuden in Leichtbauweise. Am frühen Morgen hat die Feuerwehr die letzten Flammen erstickt, gegen Mittag ist sie schließlich abgerückt. Jetzt liegt da ein großer, rußglänzender Haufen aus Balkenresten und verschmorter Wandverkleidung, an einer anderen Stelle gähnt schwarz eine Türöffnung, es riecht scharf nach verbranntem Kunststoff. Dazwischen bunte Fassaden voll Graffiti: Nicht das gesamte Städtchen ist abgebrannt, auch wenn es kaum Sinn machen dürfte, die Reste zu erhalten.

Dass es sich um Brandstiftung handelt, hält man bei der Feuerwehr für recht wahrscheinlich. Oder umgekehrt: „Es wäre andernfalls ziemlich unwahrscheinlich, dass an zwei ganz verschiedenen Stellen gleichzeitig Brandherde entstehen“, sagt Feuerwehr-Sprecher Sven Gerling. Nach seinen Angaben ging der Notruf kurz nach Mitternacht ein. Zuerst seien 20 Feuerwehrleute hingeschickt worden. Als diese die Flammen schon von weitem gesehen hätten, habe man aber sofort Verstärkung mobilisiert. Am Ende seien rund hundert Feuerlöschkräfte im Einsatz gewesen, an vier Schläuchen mit einer Gesamtlänge von 1,5 Kilometern – auch weil die Hydranten auf dem verfallenden Gelände selbst kaum noch funktioniert hätten. Nach einem ersten Löschgang mit Wasser sei ein spezieller Schaum eingesetzt worden, der an Oberflächen haften bleibt und Flammen so dauerhaft ersticken kann.

Mit Drohne im Einsatz

Polizeisprecherin Patricia Brämer bestätigt, dass ein Verdacht auf Brandstiftung besteht. Die Brandkommission der Kripo sei aber noch am Ermitteln, die auf dem Gelände genommenen Proben müssten erst untersucht werden, um Genaueres sagen zu können. Auch eine Drohne kam zum Einsatz, genau genommen: ein Unmanned Aircraft System Police (UAS-Pol). Mit dem Gerät werden seit einigen Jahren Tat-, Brand- oder Unfallorte in unübersichtlichem Gelände aus der Luft fotografiert.

Erst im vergangenen Mai hatte das Land Berlin – in Gestalt des Liegenschaftsfonds – das verwunschene Waldstück in Besitz genommen. Ende März war es dem Fonds gelungen, den bis 2061 laufenden Erbbaurechtsvertrag, auf dem hohe Schulden lasteten, für zwei Millionen Euro zurückzukaufen. Der bisherige Pächter, die Schaustellerfamilie Witte, verließ den Spreepark fristgerecht zum 30. April.

Das 30 Hektar große Areal hat eine bewegte Geschichte: Im Jahr 1969 wurde hier der „Kulturpark Plänterwald“ eröffnet, er war ein Aushängeschild der „Hauptstadt der DDR“. Als 1991 der Volkseigene Betrieb abgewickelt wurde, übernahm der Schausteller Norbert Witte das Gelände und die Fahrgeschäfte. Das abnehmende Publikumsinteresse bescherte ihm hohe Schulden, 2001 meldete er Insolvenz an und verschiffte mehrere Fahrgeschäfte nach Peru, wo er allerdings auch kein Glück hatte. Der Versuch, eine größere Menge Kokain im „Fliegenden Teppich“ bei der Rückkehr nach Deutschland zu schmuggeln, flog auf, Witte wurde verurteilt und verbrachte mehrere Jahre hinter Gittern. Anschließend betätigte er sich mit seiner Familie wieder als Verwalter des brachliegenden Parks, dessen romantisch überwucherte Reste bei Touristen inzwischen hoch im Kurs standen.

Derzeit vermietet der Liegenschaftsfonds den Spreepark als Drehort oder skurrile Location für kleinere Veranstaltungen. Ein Runder Tisch, an dem Vertreter des Senats und des Bezirks Treptow-Köpenick, aber auch der Liegenschaftsfonds und die Denkmalschutzbehörde sitzen werden, soll bald über die Zukunft des Ortes beraten und die Zwischennutzungen beenden.

Laut Fonds-Sprecherin Marlies Masche sind erste Sicherungsarbeiten bereits im Gange. Tatsächlich waren am Montag Bauarbeiter dabei, die morsche Zugangsbrücke zum Riesenrad abzureißen. Das rostige Riesenrad, das leise quietschend vom Wind bewegt wird, ist die letzte weithin sichtbare Attraktion, die „Fahrt“ darin für Abenteuertouristen ein besonderer Ansporn.

Wer auch immer den Brand gelegt hat – bei den Löscharbeiten ist noch eine ganz besondere Problematik zu Tage getreten: Das Löschboot der Berliner Feuerwehr, das die schlechte Versorgung mit Hydranten von der Spree aus hätte ausgleichen können, konnte nicht zum Einsatz kommen: Es liegt in Spandau und hätte auf dem Weg nach Treptow die Charlottenburger Schleuse passieren müssen – aber die war unbesetzt. Am Ende konnten nur zwei Multifunktionsboote von Feuerwehr und Polizei bereitgestellt werden.

„Das Problem ist uns bekannt“, sagt Feuerwehrsprecher Gerling. Nachts sind diverse Schleusen außer Betrieb, weil das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) zu wenig Personal hat und Schichten streicht, wo sie – vermeintlich – am wenigsten benötigt werden. Man diskutiere bereits über diesen Sachverhalt, so Gerling. Solange sich an der jetzigen Situation nichts ändert, können nachts Gebäude am Spreeufer in Flammen aufgehen, ohne dass die Chance besteht, von der Wasserseite aus zu löschen. Und nicht immer dürften es die verrotteten Kulissen eines Vergnügungsparks sein, die da brennen.

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