piwik no script img

Mode auf der „Degrowth“-KonferenzMehr Beteiligung am Wandel

Ein zeitloses Erscheinungsbild reduziert die Verschwendung. Auf der Leipziger Konferenz wurde auch über ästhetische Probleme debattiert.

Neue Kleider aus ausrangierten Stoffen. Bild: dpa

Wenn es darum geht, Utopien wie die Vorstellungen von Postwachstumsgesellschaften Wirklichkeit werden zu lassen, ist die nächstliegende Frage die wichtigste: Wie geht das genau?

Die Leipziger Degrowth-Konferenz diskutierte vergangene Woche die Schwierigkeiten von allen Seiten: Wo können wir im Hier und Jetzt anfangen, etwas zu verändern? Und wie baut man Brücken zwischen gesellschaftlichen Gruppen, die nicht mehr an die Mär vom fortschreitenden wirtschaftlichen Wachstum glauben?

Die Frage, was individuell getan werden kann, setzt bei Kleinigkeiten an, die große Effekte haben könnten, wenn sie von vielen beachtet würden: Ökologisch vertretbare oder recycelte Kleidung zu tragen wäre ein Anfang.

Hier zeigt sich auch gleich ein gravierendes Problem: Häufig ist solchen Gegenständen auf den ersten Blick anzusehen, dass sie aus wiederverwertetem Material hergestellt sind. Ebenso ist ökologisch bewusste Kleidung meist sofort als solche erkennbar.

Im Grunde ist das praktisch, schließlich kommuniziert die Ästhetik gleich dahinterstehende Einstellungen und Absichten mit. Dieser „selbst gebastelte“ Look ist vielen Konsumenten aber trotzdem zu „öko“, obwohl sie die zugrunde liegenden Ideale eigentlich teilen.

Auf der „Degrowth“-Konferenz fanden sich vielerlei Beispiele, wie diese ästhetische Lücke zu schließen wäre und – zumindest über Konsumwege – mehr Gesellschaftsgruppen an den zentralen Kleinigkeiten des Wandels beteiligt werden können: So saß im Rahmen eines Beitrags zu nachhaltigen Lösungen für textile Abfallproduktion Carina Bischof vom Upcycling Fashion Store Berlin mit auf dem Podium.

Mit ihrem Modelabel Aluc produziert sie Hemden und Blusen aus Stoffabfällen. Anstelle eines ästhetischen Erscheinungsbilds wird der ökologisch bewusste Herstellungsprozess bei Aluc durch den Kontext des Verkaufsorts kommuniziert. „Kunden müssen nicht erraten, wie es hergestellt wurde. Alles, was es bei uns gibt, ist aus Abfall“, sagte Bischof. Da Aluc industrielle Stoffreste weiterverarbeitet, wird zudem Müll vermieden.

Das zeitlose Erscheinungsbild entgeht einem weiteren typischen Problem der Wachstumsgesellschaft: der Verschwendung. Ein schlichtes weißes Hemd ist unabhängig von allen Trends, es muss nicht ersetzt werden, nur um auf dem neuesten Fashion-Stand zu bleiben. Zusätzlich kann man das empfindlichste Verschleißteil, den Kragen, einfach austauschen, anstatt das ganze Teil wegzuwerfen.

Den Dialog über Gesellschaftswandel auch auf ästhetischer Ebene weiterhin zu führen ist wichtig – nicht zuletzt um Vorurteile zwischen verschiedenen Gruppen oder gegen das Prinzip Degrowth zu identifizieren und abzubauen. Und die gibt es in einer durch die Orientierung an gestalteter Oberfläche geprägten Welt zuhauf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!