Literatur-Nobelpreis für Patrick Modiano: Ganz besondere „Erinnerungskunst“

Der Nobelpreis für Literatur geht an den französischen Schriftsteller Patrick Modiano. Sein Werk beschäftigt sich vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg.

Hat etwa 30 Werke verfasst, darunter auch Kinderbücher und Drehbücher: Patrick Modiano Bild: ap

STOCKHOLM afp/ap | Der Literatur-Nobelpreis geht in diesem Jahr an den international kaum bekannten französischen Schriftsteller Patrick Modiano. Dies gab am Donnerstag die Schwedische Akademie in Stockholm bekannt. Der 69-Jährige werde geehrt für seine ganz besondere „Erinnerungskunst“, mit der er kaum zu fassende menschliche Schicksale beschrieben habe.

Das Werk des Schriftstellers beschäftigt sich vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg und der Besatzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland. In ihm gehe es meist um „Erinnerung, Identität und Sehnsucht“, sagte Peter Englund von der Schwedischen Akademie.

Modiano habe etwa 30 Werke verfasst, darunter auch Kinderbücher und Drehbücher. Doch sein Hauptwerk seien die eher kurzen Romane von 130 bis 150 Seiten. In Frankreich sei er sehr bekannt, nicht aber jenseits der Grenzen. Doch sei der Autor sehr gut lesbar und verständlich. „Er ist nicht schwierig“, sagte Englund.

Dem Pariser Autoren war schon 1978 der prestigereiche Prix Goncourt zuerkannt worden, 2012 dann auch der Österreichische Staatspreis für europäische Literatur. Er wurde im Juli 1945 am Stadtrand der französischen Hauptstadt geboren, also unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa.

Jüdische Identität und NS-Verfolgung

Sein Vater hatte jüdisch-italienische Wurzeln, seine Mutter war eine belgische Schauspielerin. Beide kamen während der Nazi-Besatzung in Paris zusammen. Diese Herkunft prägte das Werk des Autoren, in dem es auch immer wieder um jüdische Identität und die NS-Verfolgung geht.

Modiano ist der fünfte französische Autor, der mit dem Nobelpreis geehrt wird. In Deutschland erschienen beim Hanser-Verlag zuletzt laut Verlagsangaben „Place de l'Étoile“, „Im Café der verlorenen Jugend“ und „Der Horizont“.

Der Nobelpreis ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen (878.000 Euro) dotiert. Er wird Modiano feierlich am 10. Dezember verliehen, dem Jahrestag des Todes des 1896 gestorbenen Preisstifters Alfred Nobel. Im vergangenen Jahr war die Kanadierin Alice Munro mit dem weltweit wichtigsten Preis in der Literatur ausgezeichnet worden, und zwar als „Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte“. Im Jahr davor ging der Literaturnobelpreis an den Chinesen Mo Yan. Nun wählte die Akademie erneut einen Autoren, der international bislang nicht im Vordergrund stand, wie Akademie-Sekretär Peter Englund nach der Bekanntgabe sagte.

Anders als bei den Wissenschaftspreisen schießen vor der Vergabe des Literaturnobelpreises regelmäßig die Spekulationen ins Kraut. Einige Favoriten werden seit Jahren immer wieder genannt, darunter US-Altmeister Philip Roth, Rockpoet Bob Dylan, der tschechische Bestsellerautor Milan Kundera oder der Israeli Amos Oz. Bisweilen ehrt die Akademie solche großen Namen, etwa die Britin Doris Lessing oder den Peruaner Mario Vargas Llosa.

Immer wieder wählt die Akademie aber auch Autoren, die niemand wirklich auf der Liste hatte. In die Kategorie fällt zum Beispiel auch der Preis an die Österreicherin Elfriede Jelinek 2004, die nur im deutschsprachigen Raum wirklich bekannt war.

Nobelpreis für Chemie, Physik, Medizin

In den vergangenen Tagen hatte die Schwedische Akademie bereits die Geehrten der wichtigen Wissenschaftspreise bekannt gegeben. So geht der Nobelpreis für Chemie an den Deutschen Stefan W. Hell vom Max-Planck-Institut in Göttingen und an die beiden US-Forscher Eric Betzig und William E. Moerner. Sie werden für die Entwicklung neuartiger hochauflösenden Mikroskope ausgezeichnet.

Den Nobelpreis für Physik erhalten die beiden Japaner Isamu Akasaki und Hiroshi Amano sowie der US-Wissenschaftler Shuji Nakamura für Forschung, die letztlich die Entwicklung von LED-Leuchten ermöglichte. Mit dem Nobelpreis für Medizin werden die Hirnforscher John O'Keefe sowie May-Britt und Edvard Moser geehrt.

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