Skandinavische Fluggesellschaft: Extremisten bestimmen Lektüre

Den norwegischen Rechtspopulisten passte ein Artikel in der Kundenzeitung der Fluggesellschaft SAS nicht. Die zog gehorsam die ganze Auflage zurück.

Wer hier mitfliegt, bekommt derzeit nichts zu lesen. Bild: imago/Rüdiger Wölk

Wer einen Link zur aktuellen pdf-Ausgabe von Scandinavian Traveler anklickt, erhält als Antwort „The requested page could not be found“. Mitten auf der Eingangsseite des Internetauftritts dieser Kundenzeitschrift der skandinavischen Fluggesellschaft SAS klafft eine auffallende Lücke. Bis vergangenen Freitag konnte man hier noch einen Hinweis zu einem Text zur historischen Entwicklung nationalistischer Parteien finden.

Ebenfalls seit Freitag lässt SAS in Flugzeugen, Flughäfen und Hotels alle Nummern der Weihnachtsausgabe von Scandinavian Traveler einsammeln. Bis zum Erscheinen der ersten Nummer des neuen Jahres müssen die 1,4 Millionen LeserInnen auf diese Lektüre „for the modern traveler from Scandinavian Airlines“ verzichten.

Das haben sie der „Fortschrittspartei“ zu verdanken. Norwegens rechtspopulistisch-ausländerfeindlicher Partei, die seit einem Jahr in Oslo mitregiert, hat nämlich ein Artikel nicht gepasst, der die geschichtlichen Wurzeln der rechtsextremen Parteien in den nordischen Ländern darstellt. Also Schwedens „Schwedendemokraten“, Finnlands „Wahren Finnen“, der „Dänischen Volkspartei“ und eben auch Norwegens „Fortschrittspartei“ (FRP).

Konkret nahm Letztere daran Anstoß, dass in diesem Text, der eine Zeitlinie vom Mussolini-Faschismus bis zum Erfolg der „Schwedendemokraten“ bei den Wahlen im September zieht, auch Vidkun Quisling, Hitlers Statthalter in Norwegen, erwähnt wurde und im Printlayout auf gegenüberliegenden Seiten jeweils Fotos von Quisling und dem ehemaligen FRP-Vorsitzenden Carl I. Hagen platziert worden waren.

„Keine Worte“ konnte FRP-Vizevorsitzender Per Sandberg „über das Abscheuliche, dass die SAS-Verantwortlichen so etwas veröffentlichen“, finden. Der Parteischarfmacher Carl I. Hagen – dem islamophobe Sprüche wie „Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime“ nach den Terrortaten des Ex-FRP-Mitglieds Anders Behring Breivik böse auf die Zehen gefallen waren – meldete sich gleich mit Drohungen zu Wort: Wie könne ein Unternehmen, das tief der ökonomischen Krise stecke und dringend neues Eigenkapital brauche, es wagen, die FRP mit Quisling und Faschisten in eine Reihe zu stellen?

Norwegens Finanzminister hat Mitspracherecht

Dazu muss man wissen, dass SAS zur Hälfte im Eigentum der skandinavischen Staaten steht und Norwegens Finanzministerin ein entscheidendes Mitspracherecht über deren Wohl und Wehe hat. Sie heißt Siv Jensen und ist Vorsitzende der „Fortschrittspartei“.

Bei SAS tat man sofort wie von der FRP gefordert und zog die Ausgabe ein. Recht allgemein mit „Reaktionen“ begründet SAS-Informationschef Tormod Sandstø den Beschluss: Man habe ihn gefasst, weil der Text „zu generalisierend und zusammen mit der Bildlösung zu unnuanciert“ gewesen sei.

Was der Artikelverfasser Per Svensson, Ex-Kulturchef des Stockholmer Expressen, nicht versteht: Es sei da nämlich keine Gleichstellung von Quisling mit der FRP herauszulesen. Im Gegenteil stelle er dar, dass es rechtsextreme Parteien mit Wurzeln im Nazismus gebe – wie die „Schwedendemokraten“ – und andere, die Antisteuer-Protestbewegungen entsprungen seien, wie eben die FRP.

Allerdings verweise er auch auf Gemeinsamkeiten wie Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie. Svensson hält es „für absolut abenteuerlich“, dass ein Konzern wie SAS sich dem Zensurdruck einer einzigen norwegischen Regierungspartei beugt: „Das ist extrem unbehaglich. Was passiert mit der Meinungsfreiheit, wenn die noch mächtiger werden?“

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