Flüchtlingsschiffe auf dem Mittelmeer: Ein äußerst lukratives Geschäft

Erneut wird ein Schiff mit Flüchtlingen auf hoher See von Schleusern zurückgelassen. Ihnen bringt das vier bis fünf Millionen Euro.

Die „Ezadeen“ – bereits im Schlepptau der Küstenwache. Bild: dpa

ROM taz | Erneut mussten italienische Einsatzkräfte vor der Küste Apuliens einen führerlosen Frachter mit Hunderten Flüchtlingen an Bord aus Seenot retten. Das unter der Flagge Sierra Leones fahrende Schiff „Ezadeen“ mit etwa 450 Personen an Bord befand sich 40 Seemeilen vor der Südspitze des Stiefelabsatzes, als wahrscheinlich wegen Treibstoffmangels die Motoren ausfielen.

Damit wiederholte sich ein Szenario, wie es sich nur zwei Tage vorher im gleichen Meeresabschnitt zugetragen hatte, als der Moldauer Frachter „Blue Sky M“ mit rund 800 Flüchtlingen aus Syrien an Bord per Autopilot Kollisionskurs auf die apulische Küste genommen hatte. Auch im Fall der „Ezadeen“ setzten Flüchtlinge selbst den Notruf ab, woraufhin Hubschrauber in der Nacht zum Freitag Beamte der Küstenwache aufs Deck hinunterließen, die dort die Kontrolle übernahmen.

Offiziell sollte der gewöhnlich als Viehtransporter genutzte Frachter zwischen Zypern und dem französischen Hafen Sete unterwegs sein. Als die Maschinen ausfielen, gelang es ersten Meldungen zufolge einem Passagier, das Schiffsradio einzuschalten und die italienischen Behörden über Funk zu alarmieren. „Wir sind ohne Besatzung, wir steuern auf die italienische Küste zu und wir haben niemanden, der steuern kann“, zitierte Filippo Marini, Sprecher der Küstenwache, den Hilferuf.

Umgehend äußerte sich die EU-Grenzagentur Frontex zu den neuen Fällen von Geisterschiffen, die einen „neuen Grad der Grausamkeit“ darstellten. „Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters“, sagte Pressesprecherin Ewa Moncure in Warschau. Für die Schmuggler lohne sich die Rechnung, wenn ein ausgemustertes Schiff ohne Crew und Treibstoff auf dem Meer zurückgelassen werde.

Praktisch der einzige Weg

Eine Erscheinung allerdings, zu der Europa mit seiner Abschottungspolitik aktiv beiträgt. Für syrische Kriegsflüchtlinge zum Beispiel ist die irreguläre Einreise angesichts der lächerlich niedrigen europäischen Aufnahmequoten praktisch der einzige Weg, um nach Europa zu gelangen.

In den Wintermonaten sinkt angesichts der Wetterverhältnisse zwar die Zahl derer, die auf kleineren Booten und Fischkuttern die Überfahrt von Libyen aus antreten. Allerdings stimmt der Hinweis der Frontex-Sprecherin, dass es ein attraktives Geschäftsmodell ist, alte Frachter mit Flüchtlingen vollzupacken, die Mondpreise zahlen, wie sie sonst nicht einmal für Luxuskreuzfahrten fällig werden. So erklärten die am Abend des 31. Dezember im Hafen Gallipoli eingetroffenen Syrer, dass sie für die Passage auf der „Blue Sky M“ zwischen 5.000 und 7.000 Euro pro Kopf bezahlt hätten. Dies macht bei 797 Passagieren an Bord eine Einnahme zwischen vier und fünf Millionen Euro.

Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera berichtet, die „Blue Sky M“ sei erst vor zwei Wochen an einen Syrer verkauft worden. In See gestochen sei der Moldauer Frachter dann direkt vor Weihnachten vom südosttürkischen Hafen Mersin. Den Flüchtlingen sei als Reiseziel das sizilianische Catania genannt worden. Die italienische Polizei ist sich sicher, den Kommandanten und drei Besatzungsmitglieder der Schlepper-Crew identifiziert zu haben, die sich nach dem Einlaufen des Schiffs in Gallipoli unter die Passagiere gemischt hatten. Die vier sitzen jetzt in Untersuchungshaft.

Einwanderer auf der „Norma Atlantic“

Unterdessen gehen die Ermittlungen zu dem Brand der Fähre „Norman Atlantic“, dem dritten Drama, das sich in den letzten Tagen vor Apulien abgespielt hatte, weiter. Zahlreiche Passagiere sagten aus, der Alarm sei viel zu spät ausgelöst worden, danach habe es die Besatzung versäumt, die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Der Kapitän wiederum beschuldigte die griechischen Behörden, auf den Notruf nicht reagiert und den Fall Italien überlassen zu haben.

Sowohl die italienischen als auch die griechischen Ermittler gehen davon aus, dass elf bis 18 Menschen noch vermisst sind. Zu ihnen zählen zwei Deutsche. Außerdem steht zu befürchten, dass weitere Einwanderer auf dem Fahrzeugdeck verbrannten. Die „Norma Atlantic“ ist im Hafen Brindisi eingelaufen; die italienische Staatsanwaltschaft will jetzt an Bord ermitteln.

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