Griechisches Reformprogramm: Essensmarken für die Ärmsten
Auf der griechischen Reformliste steht der Kampf gegen die Armut an letzter Stelle. Betont wird, er habe keinen Einfluss auf die Steuereinnahmen.
BERLIN/ATHEN taz/afp/rtr | Die humanitäre Krise kommt als Letztes. Nach 60 anderen Unterpunkten bekräftigt die griechische Regierung im letzten der vier Kapitel ihrer Reformliste ihren im Wahlkampf verkündeten Plan, die soziale Lage im Land zu verbessern. Der Anstieg der Armut soll durch „gezielte immaterielle Maßnahmen“ wie Essensmarken bekämpft werden. Eine Bürgerkarte soll den Zugang zum Nahrungsmittelprogramm und zur Gesundheitsversorgung ermöglichen. Und ein Pilotprojekt zum Mindestlohn soll evaluiert und eventuell auf das ganze Land ausgeweitet werden.
Über den Umfang dieser Maßnahmen wird nichts gesagt. Im allerletzten Punkt wird jedoch versichert, dass der Kampf gegen die Armut keinen negativen Einfluss auf die Steuereinnahmen habe. Das richtet sich schon wieder an die Geldgeber in Brüssel, so wie die drei ersten Kapitel der Reformliste, mit denen die Griechen eine nachhaltige Steuerpolitik, finanzielle Stabilisierung des Landes und eine Erholung der griechischen Wirtschaft erreichen will.
Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras will eine Mehrwertsteuer-Reform anpacken. Steuern sollen effizienter eingezogen werden. Zudem soll es Griechen erschwert werden, sich um Zahlungen an den Fiskus zu drücken. „Griechenland will eine moderne öffentliche Verwaltung“, heißt es in den Reformvorschlägen. Der Kampf gegen Korruption wird in den Rang einer „nationalen Priorität“ erhoben und ein Aktionsplan angekündigt: Dabei soll auch verstärkt gegen Schmuggler vorgegangen und der Kampf gegen Geldwäsche forciert werden.
Konkrete Vorschläge gibt es zum Abbau der Bürokratie: Die Anzahl der Ministerien soll von 16 auf zehn verringert werden. Schließlich sollen die Privilegien von Ministern, Abgeordneten und Spitzenbeamten beschnitten werden. Konkret genannt werden Dienstlimousinen, Reisekosten und Zulagen.
Die Regierung versichert, dass abgeschlossene Privatisierungen nicht zurückgedreht werden sollen. Anstehende Privatisierungsvorhaben sollen allerdings nochmals auf den Prüfstand: Dabei soll „der langfristige Nutzen“ für den Staat im Vordergrund stehen. Das Insolvenzrecht soll modernisiert, aufgeschobene Fälle sollen abgearbeitet werden. Griechenland bekennt sich zur Reform des Rentensystems, Anreize zur Frühverrentung sollen gestrichen werden.
Mehrfach wird in dem Dokument betont, die Reformvorhaben müssten mit den „Institutionen“ abgestimmt werden, der EU-Kommission, Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) – also der bisherigen Troika, deren Arbeit in Griechenland die links geführte Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras ursprünglich beenden wollte.
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