Start-up Bonativo: Keine Sonderregelung im Internet

Ein Onlinehändler verkauft Bio-Ware ohne die nötige Zertifizierung. Aus Unkenntnis, sagt er. Der Fall zeigt: Beim Onlinevertrieb zählt Schnelligkeit.

Wer als Lebensmittelhändler etwa Bio-Paprika verkaufen will, braucht ein Zertifikat dafür Bild: dpa

BERLIN taz | Der Onlinelebensmittelhändler Bonativo, der regionale und Bio-Waren vertreibt, will vorerst auf die Verwendung des Begriffs „Bio“ auf seiner Website verzichten. Das Unternehmen reagiert damit auf einen Bericht des Spiegels, wonach dem Händler die erforderliche Zertifizierung fehle. „Wir sind derzeit im Zertifizierungsprozess“, räumte Sprecher Simon Ueberheide auf Anfrage der taz ein. Das Unternehmen aus der Start-up-Schmiede Rocket Internet der Samwer-Brüder bietet seine Dienste allerdings bereits seit Ende Januar an.

Unternehmen, die mit Bio-Lebensmitteln handeln, brauchen laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung seit gut zehn Jahren ein Zertifikat. Anlass für die Einführung waren Betrugsfälle, bei denen Händler konventionelle zu Bio-Ware umdeklariert hatten. Als Konsequenz verschärfte die EU die Vorschriften.

Zwar gelten dabei Ausnahmen für den Einzelhandel. Doch das Oberlandesgericht Frankfurt entschied erst im vergangenen September, dass Online-Händler, die Bio-Ware vertreiben, nicht von der Zertifizierungspflicht befreit sind. Höchstrichterlich ist die Frage aber bislang nicht geklärt, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus.

Ueberheide sagte, man sei davon ausgegangen, dass man Produkte, die der Handelspartner selbst als Bio bezeichne, als Händler dann auch so nennen dürfe. Erst durch Nachfragen von Kunden sei man auf das Problem gestoßen. Vor einer Woche habe das Unternehmen eine Zertifizierungsstelle kontaktiert, der Prozess sei im Gange. Bis die Zertifizierung da sei, werde man den Begriff „Bio“ aber von der Website streichen.

Einem solchen Missverständnis scheinen immer wieder Unternehmen zu unterliegen, gerade beim Onlinevertrieb – auch wenn es möglich ist, dass Verstöße hier schlichtweg eher auffallen. So kam auch ein Urteil gegen einen Händler, der Bio-Gewürze verkaufte, in Frankfurt durch eine Klage der Wettbewerbszentrale zustande.

Bio-Ware ist gefragt

Bonativo vertreibt nach eigenen Angaben zu drei Vierteln Bio-Lebensmittel, hinzu kommen auch regionale Waren. Das Unternehmen macht sich damit einen Trend zunutze, denn Umfragen zufolge legen vor allem Verbraucher unter 30 Jahre zunehmend Wert auf Bio-Ware.

Gleichzeitig sind sie auch die Gruppe, die sich für einen Kauf von Lebensmitteln über das Internet interessiert – auch wenn der Markt noch eine Nische ist: Einer Erhebung der Beratungsfirma A. T. Kearney zufolge kauften im Jahr 2013 2 Prozent der Konsumenten wöchentlich Lebensmittel über das Internet ein, doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Gleichzeitig sank der Anteil derer, die angaben, nie Lebensmittel online zu kaufen, von 82 auf 73 Prozent. Die meisten Onlinelebensmittel-Käufer waren zwischen 25 und 34 Jahre alt.

Rocket Internet drängt gerade nicht nur mit Bonativo auf den Markt des Lebensmittelversands. Kürzlich hat auch ein anderes Start-up aus der Samwer-Schmiede seinen Betrieb aufgenommen, das zubereitete Mahlzeiten liefert. Darüber hinaus startete in München – ebenfalls von Rocket Internet – Shopwings, ein Dienst, der Lebensmittel aus Supermärkten zu Verbrauchern bringt. Sie sind nicht die Einzigen: Gerade in Großstädten versuchen Start-ups mit Gutscheinen, Startangeboten und großflächiger Werbung ihren Markt für Lebensmittellieferungen abzustecken, immer in der Hoffnung, das neue Amazon für den Lebensmittel zu werden.

Auch Einzelhandelskonzerne sehen im Onlinevertrieb zunehmend ein Geschäft: So bieten mittlerweile auch Supermärkte wie Rewe und Edeka die Möglichkeit der Onlinebestellung. Und Tengelmann Ventures ist im Februar mit Millionenbeträgen bei Bonativo und Shopwings eingestiegen.

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