Flüchtlinge in Bulgarien: „Erniedrigend und unmenschlich“

Pro Asyl prangert die Misshandlung von Flüchtlingen in Bulgarien an und fordert die Bundesregierung zu einem Abschiebestopp auf.

Flüchtlinge in Bulgarien. Bild: dpa

BERLIN afp | Misshandlungen, menschenunwürdige Unterkünfte und monatelange Inhaftierungen: Pro Asyl hat eine „erniedrigende und unmenschliche“ Behandlung von Flüchtlingen in Bulgarien angeprangert.

Die Menschenrechtsorganisation rief die Bundesregierung am Donnerstag in Berlin auf, die Abschiebung von Flüchtlingen in das osteuropäische Land zu stoppen. Die Zahl der über Bulgarien in die EU kommenden Flüchtlinge ist in den vergangenen Jahren auch wegen des Bürgerkriegs in Syrien stark gestiegen.

„Das sind Menschen, die im Prinzip doppelt verfolgt sind: Erst in ihrem Herkunftsland, dann in Bulgarien“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Pro Asyl hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Monaten „dramatische Berichte von Flüchtlingen“ gesammelt, die über Bulgarien nach Deutschland gekommen sind. „Sie berichten von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, bis hin zu Folter.“

Die Aussagen der Betroffenen hat Pro Asyl in einem 50-seitigen Bericht (pdf) mit dem Titel „Flüchtlinge in Bulgarien: Misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen“ zusammengefasst.

Darin wird etwa das Schicksal des irakischen Flüchtlings R. geschildert, der mithilfe eines Schleppers im Oktober 2012 von der Türkei aus nach Bulgarien gelangte. Dort habe die Polizei den Iraker schwer misshandelt: „Herr R. berichtet, dass er während seiner Inhaftierung in einem Polizeirevier und anschließend im Gefängnis Busmantsi über Tage hinweg unmenschlich und erniedrigend behandelt wurde bis hin zur Vergewaltigung durch Beamte.“ Im April 2013 wurde er aus der Haft entlassen, im Herbst des Jahres floh er dem Bericht zufolge weiter nach Deutschland.

„Systematische Muster“

Der Dokumentation zufolge ist das kein Einzelfall. Burkhardt spricht von einem „systematischen Muster“. Schutzsuchende berichten demnach etwa über Misshandlungen durch Fußtritte und Stockschläge, zum Teil bis zur Bewusstlosigkeit, oder über die Verweigerung des Zugangs zu einer Toilette über Stunden hinweg. Selbst Kinder sollen demnach gezwungen worden sein, auf dem Boden ohne eine Decke zu schlafen.

Auch sollen die bulgarischen Behörden Flüchtlingen selbst in Notfällen die medizinische Versorgung verweigert haben. Werden syrische Flüchtlinge anerkannt, müssen sie dem Bericht zufolge die Flüchtlingslager verlassen, wodurch sie „dann mittellos auf der Straße landen und rassistischen Angriffen schutzlos ausgeliefert sind“.

Infolge des seit mehr als vier Jahren andauernden Bürgerkriegs in Syrien hat die Zahl der Flüchtlinge in dem zu den ärmsten EU-Staaten gehörenden Bulgarien stark zugenommen. Kamen im Jahr 2012 noch 1.385 Flüchtlinge nach Bulgarien, waren es Pro Asyl zufolge im vergangenen Jahr bereits 11.080. Mehr als die Hälfte der Asylsuchenden sind demnach Syrer.

Lage der Asylsuchenden verbessern

Angesichts der katastrophalen Bedingungen in Bulgarien suchten viele Flüchtlinge etwa in Deutschland Schutz, berichtete Pro Asyl. Über 4.000 Betroffenen drohe aber, wieder nach Bulgarien abgeschoben zu werden. Deutschland schob im vergangenen Jahr allerdings nur 14 Flüchtlinge tatsächlich nach Bulgarien ab.

Ebenso wie Pro Asyl forderte auch die Diakonie von der Bundesregierung dennoch, Abschiebungen nach Bulgarien komplett zu stoppen und den Betroffenen in Deutschland Aufenthalt zu gewähren. „Flüchtlinge mit erwiesenem Schutzbedarf dürfen nicht in einen EU-Staat abgeschoben werden, wo ihnen Obdachlosigkeit droht und sie keine Existenzgrundlage haben“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bei der Vorstellung des Berichts. Zudem müsse auf das Land eingewirkt werden, um die Lage der Asylsuchenden zu verbessern.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), nannte die Lage in Bulgarien ein bekanntes Problem. Das Thema müsse angegangen werden. Bei der Flüchtlingsproblematik reiche „Betroffenheitslyrik“ nicht aus, sagte Strässer. „Es folgt an politischen Schritten zu wenig.“

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