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Archiv-Artikel

Die EU sucht nach dem dritten Weg

Das Europaparlament wird heute eine Resolution verabschieden, die für beitrittswillige Staaten eine „Zwischenlösung“ vorschlägt: Sie werden Mitglied in einer erweiterten Freihandelszone, haben aber kein Stimmrecht in den Gremien der EU

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Das Konzept von der „privilegierten Partnerschaft“ feiert fröhliche Auferstehung. Heute debattiert das EU-Parlament in Straßburg darüber, wie der Erweiterungsfahrplan der Union für die kommenden Jahre aussehen soll. Morgen wird voraussichtlich eine Mehrheit die Kommission dazu auffordern, „Vorschläge für eine enge multilaterale Beziehung mit der EU zu unterbreiten“. Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, wirbt schon lange für diese „Zwischenlösung“ zwischen EU-Mitgliedschaft und Nachbarschaftspolitik – so vermeidet man „enttäuschte Hoffnungen“, glaubt Brok.

Beim Außenministertreffen am Wochenende in Salzburg hatten die geladenen Vertreter der Balkanstaaten dagegen deutlich gemacht, dass sie sich mit der vom Parlament als Ersatz in Aussicht gestellten Freihandelszone nicht zufrieden geben: „Alle Balkanstaaten haben Fortschritte auf ihrem Weg zur EU gemacht, mit der EU-Mitgliedschaft als endgültigem Ziel“, heißt es in der Abschlusserklärung. Ein früherer Entwurf hatte das Wort „Mitgliedschaft“ vermieden.

Die Außenminister stellen aber auch fest, „dass die Aufnahmefähigkeit der EU berücksichtigt werden muss.“ Frankreichs Vertreter Douste-Blazy sagte in Anspielung auf das gescheiterte Verfassungsreferendum: „Wir können nicht so tun, als ob es eine ablehnende Haltung zur Erweiterung nicht gäbe.“ Ähnlich sehen es die Europaabgeordneten. In ihrer Entschließung betonen sie, „dass aufgrund der Sackgasse, in der sich der Ratifizierungsprozess der Verfassung derzeit befindet, die EU ihre Aufnahmekapazitäten nicht erhöhen kann.“ Mit Blick auf den immer noch umstrittenen Haushaltsplan 2007–2012 verlangen die Parlamentarier, die EU solle nur solche zusätzliche Aufgaben übernehmen, für die sie auch Finanzmittel bereitstellen wolle.

Das wiederbelebte Konzept eines dritten Weges zwischen Vollmitgliedschaft und loser Anbindung durch Nachbarschaftsabkommen stammt ursprünglich aus dem konservativen Lager. Überzeugte Anhänger einer Vertiefung der Europäischen Union wie der SPD-Abgeordnete Klaus Hänsch warnen aber ebenfalls schon lange vor den negativen Folgen künftiger Erweiterungsrunden. Zu Zeiten, als Bundeskanzler Schröder für den Beitritt der Türkei warb, war diese Haltung in der SPD nicht wohlgelitten. Doch nun kommt sich die große Koalition auch in diesem Punkt näher.

Deshalb reden plötzlich alle vom „dritten Weg.“ Die EU-Kommission soll sich dazu bis Jahresende etwas einfallen lassen. Das EU-Parlament will wissen, was den Charakter der Europäischen Union ausmacht – „einschließlich ihrer geografischen Grenzen“. Ferner soll die Kommission einen neuen Status für Bewerber erfinden, der einerseits attraktiver ist als ein Assoziationsabkommen, andererseits Stimm- und Mitspracherechte in den EU-Institutionen ausschließt.

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