: Durchmarsch der Pixel
KINOTECHNIK Die digitale Projektion ist zum Standard geworden. Kleine Kinos wie das B-Movie in Hamburg können die erforderlichen Investitionen aber nicht alleine stemmen
VON WILFRIED HIPPEN
Streng wörtlich genommen werden bald keine Filme mehr gemacht. Denn der „Film“ ist jener Streifen mit belichteten Einzelbildern, der durch den Projektor läuft, wodurch die optische Illusion von Bewegung geschaffen wird.
Die digitale Projektion beruht auf einem völlig anderen Prinzip. Sie hat sich in der internationalen Kinolandschaft inzwischen so radikal durchgesetzt, dass die Verleiher in absehbarer Zeit keine Filmkopien mehr ziehen, sondern nur noch auf digitalen Trägern verleihen werden. Von den etwa 430 Kinosälen in Niedersachsen haben bereits 80 Prozent die technischen Voraussetzungen, digitale Filme abzuspielen. Für die kleinen, nicht-kommerziellen Kinos ist die Digitalisierung aber ein echtes Problem: Ihnen fehlt das Geld, die neue Technik anzuschaffen.
Eines dieser kleinen Kinos ist das B-Movie auf Hamburg-St. Pauli. Ein gemütliches kleines Kiezkino mit 58 Sitzplätzen, das seit 26 Jahren besteht und von acht ehrenamtlichen Mitgliedern betrieben wird. Im Grunde ein perfektes Kommunalkino, aber als solches müsste es per Definition mit kommunalen Mitteln gefördert werden. Aber da das B-Movie sich weitgehend autark finanziert, ist das Metropolis das einzige offizielle Kommunalkino in Hamburg.
Bisher war die nicht vorhandene städtische Förderung kein Problem, denn das B-Movie hat sich mit seinem originellen, regelmäßig mit Preisen ausgezeichneten Programmen einen Namen gemacht. Das Kino wird nur an drei Tagen in der Woche betrieben, die Fixkosten sind gering und es gibt etwa von der „Kurverwaltung St. Pauli“ für einzelne Filmreihen Fördergelder.
Doch auch wenn hier weitgehend ältere Filme aus dem Repertoire gespielt werden, die von Archiven oder kleinen, internationalen Verleihern kommen, wird es ohne digitales System schwer für das B-Movie werden. Ohne digitale Ausstattung wäre es nicht mehr als Spielstätte für die vielen Filmfestivals der Stadt einzusetzen, denn diese projizieren inzwischen auch alle digital.
Zum anderen würde der Filmfundus, aus dem die Programmmacher schöpfen können, immer kleiner werden. Die Programme würden zwangsläufig immer antiquierter. In Zukunft muss das B-Movie also zweigleisig fahren. Die 16 und 30 mm Projektoren werden keineswegs verschrottet, viele Filme werden auch weiterhin analog gezeigt werden.
Bei der digitalen Aufrüstung ergibt sich das Problem, dass die Förderprogramme des Bundes und der Bundesländer nur für Kinos zugänglich sind, die mindestens 8.000 Besucher pro Jahr haben. Da es nicht an jedem Tag bespielt wird, hat das B-Movie gerade einmal 5.500 Gäste pro Jahr und fällt – wie einige andere alternative Kinos auch – durch das Netz.
Selbst wenn das B-Movie die Förderkriterien erfüllen würde, würde die öffentlichen Förderung maximal 30 Prozent der Investition betragen – für das kleine Kino bliebe dann immer noch eine hohe finanzielle Belastung. Zudem wird im September und Oktober renoviert, so dass zum ersten Mal in 26 Jahren eine Spendenaktion nötig ist. Die Stars des Italowestern werben auf dem Flyer dafür, dass der Verein „für ein Paar Dollars mehr ...“ weitermachen kann. Angestrebt sind 18.000 Euro.
Auch andere alternative Kinoprojekte in Norddeutschland versuchen mit Spendenaktionen den nötigen Modernisierungsschritt zu finanzieren. So etwa das 1991 gegründete „Andere Kino“ in Lehrte, das ebenfalls von ehrenamtlichen Mitgliedern betrieben wird und sich auf die „offene Jugendarbeit“ konzentriert. In ihrem Spendenaufruf heißt es: „Um digitale Filmkopien aller Anbieter zeigen zu können, müssen die Kinos aufgrund des Monopols der wichtigsten Filmverleiher das von diesen vorgegebene System kaufen.“
Auch das Kino des Kulturvereins Platenlaase im Wendland meint, ohne Spendengelder die nötige Digitalisierung „nicht wuppen“ zu können. Und selbst ein alteingesessenes und von der Stadt gefördertes Kommunalkino hat Schwierigkeiten, die Kosten für die Digitalisierung aufzubringen: In Bremen ist das City 46 vor anderthalb Jahren in die Innenstadt umgezogen, und obwohl die Besucherzahlen und der Umsatz sich seitdem fast verdoppelt haben, ist das Geld wegen der Vorgaben des Senats extrem knapp. So kann sich das Kino nicht einmal ein monatliches Programmheft leisten.
Die Fördergelder der Filmförderungsanstalt und von Nordmedia sind schon bewilligt, doch ein Viertel muss an Eigenmitteln aufgebracht werden. Diese fünfstellige Summe versucht nun auch das City 46 durch eine Spendenaktion zu sammeln. Auch hier wird auf jeden Fall weiter analog projiziert werden, und der Spielstellenleiter Alfred Tews hofft, dass die neue Technik in einem der beiden Säle im Dezember eingebaut werden kann.
Wie dringend dies ist, zeigte sich in der letzten Woche, als ein Verleiher ganz selbstverständlich seinen Film als Festplatte an das Kino schickte. Zum Glück gab es in Oldenburg noch eine Blu-Ray des Films, die dann eilig angeliefert und als Notlösung im City 46 abgespielt wurde.