Foto-Shooting in den Ferien

Im Hamburger Ferienpass lädt erstmals auch eine Kindermodell-Agentur zum Casting ein. Für alle, bei denen Geld keine Rolle spielt, lockt ein breites Angebot vom Fußballcamp bis zum Wasserski-Kurs auf dem Neuländer See

von Kaija Kutter

Früher, in den 70ern, war der Hamburger Ferienpass eine schlichte blaue Pappkarte. Darein klebten die Kinder eine für wenig Geld erworbene Marke für den freien Schwimmbadeintritt und Gratisnutzung von Bus- und Bahn, und gut war. Heute, 38 Jahre später, ist der Ferienpass eine 99-Seiten-dicke Sammlung von Kinderkulturangeboten, die zwei- und manchmal dreistellige Summen kosten, da es keine Subvention gibt.

Haben Eltern und Schüler dies erst mal geschluckt, bietet sich eine faszinierende Palette von Aktivitäten. Jungs- und Mädchen von zehn bis 16 Jahren zum Beispiel können an Hamburgs erstem Wasserski-Lift auf dem Neuländer See einen zweistündigem „Schnupperkurs“ mitmachen. Bei diesem hängen sich ähnlich wie bei einem Ski-Lift alle zehn Sekunden Mitfahrer an ein Seil, das einmal um den See führt. Statt 20 Euro kostet der Spaß mit Ferienpass 15 Euro. Noch sind Plätze in den Kursen frei, eine „schnelle Anmeldung“ wird aber empfohlen.

Ähnlich beliebt nach der WM dürfte das „Fußballtrainings-Camp“ (91 Euro) für Jungs und Mädchen sein, bei dem Trainer der „Deutschen Fußballakademie“ den Kindern Tricks beibringen. „Möchtet ihr trainieren wie Profis?“, fragt der Werbetext im Katalog, der stets an die Sehnsüchte der Kinder appelliert. „Tanzen und singen wie die Popstars und schauspielern wie die Stars in Film und TV“, können acht- bis 16-Jährige in dem zweitägigen „Allround-Workshop“ der Tanzschule „on stage“. Ferienrabatt: 30 statt 60 Euro.

„Wir suchen Angebote aus, die den Kindern Spaßmachen sollen“, sagt Michael Conrad vom Jugendinformationszentrum (JIZ), das den Pass redaktionell zusammenstellt. Dass das JIZ im Kleingedruckten „für Qualität und Leistung der einzelnen Angebote“ keine Gewähr übernimmt, sei nur eine juristische Absicherung, sagt Conrad: „Gibt es mal Beschwerden von Eltern, gehen wir dem nach.“

Durchaus darüber diskutiert, so Conrad, habe man, ob es richtig sei, eine Kindermodelagentur aufzunehmen. Bei „Boys & Girls“ handle es sich jedoch um eine von der „Bundesagentur für Arbeit geprüfte Agentur“. Kinder bis 16 Jahre können dort in den Ferien immer Dienstags und Donnerstags zu einem „kostenlosen Casting“ erscheinen. Dabei handelt es sich laut Auskunft am Telefon um ein „halbstündiges Informationsgespräch“. Danach kann für 25 Euro, statt üblicher Weise 30 Euro, eine „Setcard“ mit Fotos erstellt werden, mit denen die Kinder für Model-Jobs vermittelt werden können.

Der Ferienpass vermittelt auch den Zugang zur Film- und Fernsehwelt. Das beginnt bei der Gratis-Führung durch die NDR-Studios und endet bei einem einwöchigen „Medienabenteuercamp“ im Sauerland, das „Schnittpunkt e.V.“ bereits im dritten Jahr organisiert. Dort drehen Kinder mit einem Profi-Kameramann einen Film, für den sie das Drehbuch selber schreiben und der später auch auf Tide-TV im Fernsehen gezeigt wird. „Es geht uns nicht darum, eine Talentschmiede zu sein. Es soll den Kindern Spaß machen“, betont Organisator Reiner Jodorf, für den Kurs vom 6. bis 13. Juli seien noch zehn Plätze frei. Von den 240 Euro Gebühr werden auch Anfahrt, Unterkunft, Verpflegung und Betreuung finanziert. Bei den Filmen handle es sich meist um Fantasy-Geschichten, „im letzten Jahr ging es um Sekten“, erinnert Reiner Jodorf. Von den Schülern blieben einige „am Ball“ und arbeiteten später bei „isi-TV“ mit, so heißt der Kindersender von Tide-TV.

Auch für Kinderschauspielschulen bietet der Ferienpass eine Gelegenheit zur Nachwuchswerbung. Die „Task-Schauspielschule“ in der Altonaer Schomburgstraße zum Beispiel bietet für 75 Euro den zweitägigen Workshop „Camera Acting“ mit Tipps und Tricks, „die für das Handwerk der Darsteller von Fernseh- und Kinofilmen wichtig sind“. Und die Schauspielschule „New Talent“ an der Horner Legienstraße offeriert am 27. Juli für 45 Euro einen vierstündigen „Schauspiel- und Castingkurs“, bei dem der Kinder- und Jugendcoach Patrick Dreikauss szenisches Arbeiten mit und vor der Kamera probt.

„Die Resonanz ist gut. Wir haben schon viele neue Talente für unsere Agentur entdeckt“, sagt Mitinhaberin Christiane Dreikauss. Dreikauss unterrichtete Kinder, die in Filmen wie „Emil und die Detektive“ oder „Die Pfefferkörner“ mitspielten. Damit jeder wirklich dran kommt, würden die Gruppen mit zwölf bis 13 Kindern „extra klein gehalten“. „Die Kinder sollen hier Spaß haben und ihre Natürlichkeit erhalten“, sagt Christiane Dreikauss. Für viele habe der Workshop auch bloß den positiven Effekt, dass sie lernten, selbstbewusster aufzutreten und in der Schule frei zu sprechen.

Für viele Kinder ist „Schule“ allerdings das ganz falsche Stichwort. „Lass mich in Ruhe, Mama, ich hab Ferien“, sagte jüngst der 13jährige Sohn einer Bekannten und legte den Pass beiseite. „Ich will jetzt einfach nur Computerspielen.“