WAZ baut ab

Die WAZ schließt sieben Lokalteile – und ersetzt sie durch einen Regionalteil. Wer informiert sein will, soll ins Internet sehen. „Innovativ“ nennt das WAZ-Chef Reitz. Gewerkschafter glauben an Kungelei

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Spekuliert wurde darüber schon länger – seit gestern ist es raus: Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) schließt Ende des Jahres gleich sieben Lokalredaktionen. Alle im Kreis Recklinghausen, wo ab Januar kommenden Jahres statt mehreren Lokalteilen nur noch ein Regionalteil erscheinen soll. Man wolle „innovative Wege der Redaktionsorganisation“ beschreiten, schreibt WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz in einem Brief an die Leser. Gewerkschafter hingegen wittern hinter dem Umbau eine Absprache unter Verlegern.

Produziert wird der neue Regionalteil nach WAZ-Angaben in der bald einzurichtenden Regionalredaktion Recklinghausen. 25 der insgesamt 49 Lokalredakteure sollen künftig von hier aus über die Region berichten. Der Rest werde in anderen Ressorts unterkommen, unter anderem in der Online-Redaktion, so der stellvertretende WAZ-Chef Hendrik Groth gestern zur taz.

Sowieso: das Internet-Angebot. Das will die WAZ in einem Zuge ausbauen. Etliche Informationen, die bisher in der Print-Ausgabe ihren angestammten Platz haben, Sporttabellen etwa oder kleinere Lokalgeschichten, werden künftig nur noch im Internet verfügbar sein. „Wir verabschieden uns im Print von der kleinteiligen Berichterstattung“, sagt Groth, der glaubt, damit „die Zeichen der Zeit erkannt zu haben“. Man werde das Online-Angebot so renovieren, dass es „hoffentlich bundesweit Beachtung findet“. Und was ist mit älteren Menschen, die keinen Bezug zum Internet haben? Groth: „Da haben wir ein Problem.“

Und genau das könnte anderen Zeitungen Zuwächse bescheren. In den betroffenen Städten Haltern am See, Datteln, Herten, Marl, Oer-Erkenschwick, Recklinghausen und Waltrop können die Leser noch auf die Ruhr Nachrichten (RN) oder auf Blätter aus dem Marler Zeitungshaus Bauer zurückgreifen. Gewerkschafter glauben daher, dass der WAZ-Rückzug aus einer Absprache unter Verlegern resultiert: „Mit diesem Schritt ist offensichtlich, was im Ruhrgebiet vorgeht: Monopolzeitungsgebiete werden geschaffen“, sagt beispielsweise Ver.di-Sekretär Rainer Sauer.

Worauf Sauer anspielt: Unlängst erst hatten sich die RN aus Städten zurückgezogen, in denen nun nur noch die WAZ vertreten ist. Und auch die im Bauer-Verlag erscheinende Buersche Zeitung wird im Herbst aus Gelsenkirchen abziehen. Zurück bleibt die WAZ, ohnehin die größte Regionalzeitung des Landes. Also eine große Flurbereinigung? WAZ-Vize Groth dementiert: „Diese Theorie würde nur bestätigt, wenn wir uns ganz aus Recklinghausen zurückziehen würden – aber das tun wir ja nicht.“ Eher wolle man noch stärker an den Leser ran. Zum Beispiel mit dem neuesten Clou: einer „Mobilen Redaktion“ im Kleintransporter.

Der Dortmunder Medienexperte Horst Röper glaubt nicht, dass die WAZ-Rechnung aufgehen wird: „Online ist ein Zusatzangebot, aber kein Ersatz für die bisherige Lokalberichterstattung.“ Langfristig werde die WAZ deshalb wohl an Auflage verlieren. Die Zeitung praktiziere also offenbar doch einen „Abschied auf Raten“ aus dem Kreis Recklinghausen. „Das stinkt dann wieder nach einem Kompensationsgeschäft“, sagt Röper.