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Archiv-Artikel

Dieses schwer greifbare Gefühl

Ein gelungener Film über die Freundschaft: Sebastian Schippers „Ein Freund von mir“ ist in seinen besten Augenblicken von einer herrlichen Leichtigkeit

von ANDREAS RESCH

Das Thema Freundschaft, hat François Truffaut einmal gesagt, ist ein für die Kunst schwer zugängliches Territorium. Denn Freundschaft folgt weniger dramatischen Regeln als die Liebe, ist sperriger und somit schwieriger in eine interessante Geschichte zu überführen. Vielleicht ist „Ein Freund von mir“ gerade deshalb ein gelungener Film über Freundschaft geworden, weil er seinen beiden Hauptfiguren Karl (Daniel Brühl) und Hans (Jürgen Vogel) den Freiraum zugesteht, einander zu mögen, ohne dass man so genau sagen könnte, warum. In seinen besten Momenten versprüht der Film eine herrliche Leichtigkeit und findet – ohne viele Worte zu verlieren – die richtigen Bilder, um das schwer greifbare Gefühl einzufangen.

Als der Mathematiker Karl von seinem Arbeitgeber den Auftrag erhält, das Versicherungsrisiko eines Mietwagenverleihers vor Ort einzuschätzen, wird er im Stile eines Undercovercops in ebenjenes Unternehmen eingeschleust, für das Hans Autos überführt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten freunden sich die beiden an und liefern sich schon bald tagsüber waghalsige Mietwagen-Rennen, während sie ihre Nächte in Kneipen oder in der Wohnung von Stelle (Sabine Timoteo) verbringen.

Die, die hier zu Freunden werden, könnten verschiedener kaum sein: auf der einen Seite der karrierebewusste Karl, von Daniel Brühl mit dem richtigen Maß an unterdrückter Aggressivität ausgestattet, das seinen Charakter daran hindert, ins Klischeehafte abzudriften. Karl wirkt trotz seines beruflichen Erfolgs so, als sei er aus der Welt gefallen. Schon anhand der Umzugskartons, die sich in seiner luxuriösen Wohnung stapeln, lässt sich das Provisorische erkennen, das seinem Leben anhaftet. Sein Widerpart Hans hingegen lebt ausschließlich für den Moment und verfolgt keinerlei berufliche Ambitionen. Hans ist spontan, aufgeschlossen, mit sich im Reinen. Mit der Zeit überträgt sich dieses Lebensgefühl auf Karl. Dem Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Schipper ist es hoch anzurechnen, wie er seinen beiden Hauptfiguren Plastizität verleiht, ohne dass man etwas über sie erfährt, was über das Gezeigte hinausgeht. Denn es gibt keine Gespräche oder Rückblicke, die dem Zuschauer Informationen über das Vorleben der Charaktere geben. Statt zu erklären, dokumentiert der Film lieber die Atmosphäre des Ganz-bei-sich-selbst-Seins, die sich vor allem in den nächtlichen Szenen glückseliger Ausgelassenheit einstellt. Dass „Ein Freund von mir“ dennoch nicht an die Qualität von Schippers Debütfilm „Absolute Giganten“ herankommt, liegt letztendlich vor allem daran, dass die Figur des Hans im Verlauf des Films immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird, bis sie sich irgendwann in einem doch arg überzogenen Akt selbstloser Nächstenliebe gänzlich verabschiedet. Und so wird „Ein Freund von mir“ schließlich zu etwas, das er doch eigentlich gar nicht sein wollte: zu einem ganz gewöhnlichen Liebesfilm.

„Ein Freund von mir“. Regie: Sebastian Schipper. Mit Daniel Brühl, Jürgen Vogel u. a., Deutschland 2006, 84 Min.