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Archiv-Artikel

Familienrichterin kritisiert Jugendamt

Bert K. hatte das Sorgerecht für Kevin und überließ ihn einem Fremden. „Kein Einzelfall“, sagt die Familienrichterin

Von sim

Binnenschiffer war er, bei der Marine diente er, dann das Studium. „Diplom-Sozialarbeiter“ sei er, gab Bert K. gestern vor dem Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ an, und bis vor kurzem hatte der 64-Jährige als Amtsvormund das Sorgerecht für etwa 240 Bremer Kinder und Jugendliche inne. Auch für Kevin, den Polizeibeamte am 10. Oktober tot im Kühlschrank seines Ziehvaters Bernd Kk. fanden.

Warum der Vormund, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Vernachlässigung der Fürsorgepflicht ermittelt, den Jungen monatelang seinem Ziehvater überließ, ist unklar. Gestern vor dem Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ verweigerte er dazu jede Aussage. Klar dagegen ist: Der Ziehvater war – entgegen seiner Behauptungen – weder biologischer noch rechtlicher Vater Kevins. Und als Pflegevater wäre er niemals in Frage gekommen.

Der Amtsvormund, dem das Familiengericht nach dem Tod von Kevins Mutter im November 2005 das Sorgerecht übertrug, hätte den Umgang des Ziehvaters mit Kevin demzufolge jederzeit und sogar ohne jeden Gerichtsbeschluss unterbinden können. Zweifel am Vater-Status von Bernd K. kamen dem Amtsvormund allerdings erst im Frühjahr 2006. Der Ziehvater müsse seiner Vaterschaft beurkunden lassen, andernfalls wolle er eine Aberkennungsklage einreichen, hält der Vormund da fest. Weder das eine noch das andere geschah. Im Sommer 2006 erkennt der Vormund, dass der Ziehvater gar nicht der Vater Kevins ist – weswegen auch die von ihm geplante Klage auf Aberkennung der Vaterschaft keinen Sinn machte. Kevin ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

Als weder rechtlicher noch biologischer Vater habe Bernd K. eigentlich „null Besitzrecht am Kind“ gehabt, sagt Sabine Heinke, die Familienrichterin, die den Fall betreute. Fehlentscheidungen im Sorge- und Umgangsrecht, die auf mangelnden Informationen beruhten, seien allerdings „kein Einzelfall“. Schuld daran sei unter anderem das Bremer Jugendamt, das häufig „keine ordentlichen Infos“ liefere, was Elternschaften und Verwandtschaften angehe. „Die achten da nicht drauf, kucken da nicht hin“, klagt Heinke, es gebe „kein systematisches Vorgehen“ und „keine vernünftigen Datenstammblätter“ für die Kinder mit Informationen über Eltern und Verwandte – „ein Saftladen.“

Bert K. verwies gestern auf die hohe Arbeitsbelastung der Amtsvormünde in Bremen. Klagen darüber seien stets auf taube Ohren gestoßen. sim