: Hochnotpeinlicher Streit um Renten
Vor dem Besuch des israelischen Präsidenten will Scharping die festgefahrene Diskussion um Rentenzahlungen an deutsche Juden aus Osteuropa mit einem eigenen Gesetzentwurf beschleunigen ■ Von Anita Kugler
Berlin (taz) – Bis am Sonntag der israelische Präsident, Ezer Weizman, zum Staatsbesuch in Deutschland einfliegt, will die Bundesregierung ein peinliches Problem vom Tisch geräumt haben. Es geht um die rasche Auszahlung von Renten für etwa 35.000 deutsche, ehemals von den Nazis verfolgte Juden aus Mittel- und Osteuropa, die heute vorwiegend in den USA oder Israel leben. Obwohl die Bundesregierung diese Renten schon vor Jahren versprach, haben die Betroffenen noch keinen Pfennig gesehen, weil die entsprechenden Gesetze bis heute nicht verabschiedet wurden.
Jetzt, in letzter Minute, hat die SPD-Fraktion noch einen Anlauf genommen, Deutschlands Ansehen in Israel halbwegs zu retten. Gestern kündigte ihr Fraktionsvorsitzender, Rudolf Scharping, in Berlin an, daß seine Partei einen Gesetzentwurf vorlegen wird, um die Ratifizierung der Sozialversicherungsabkommen mit Israel und den USA endlich abzuschließen. „Es ist außenpolitisch im hohen Maße peinlich und für die betroffenen Menschen auch nicht erträglich, wenn die Ratifizierung sich wegen des kindischen Streits um die Finanzierung verzögert“, sagte Scharping.
Der „kindische Streit“ geht um die entscheidende Frage, aus welchem Topf diese sogenannte Fremdrente bezahlt werden soll. Die bereits vor der Sommerpause in erster Lesung beratenen Ratifizierungsgesetze sehen vor, daß die in den USA oder Israel lebenden potentiellen Empfänger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachzahlen. Mit diesen Nachzahlungen wird es dann der Rentenkasse möglich, die Fremdrenten auch ins Ausland zu überweisen. Dieses Gesetz liegt derzeit auf Eis, weil sich einige CDU/CSU- Rechtspopulisten (Julius Louven, Volker Kauder, Peter Ramsauer) erfolgreich dagegen stemmten.
Genau dieses Gesetz will aber die SPD-Fraktion jetzt wortgleich als eigenen neuen Antrag einbringen, damit die „peinliche Diskussion über die Rentenansprüche unverzüglich beendet werden“. Im Klartext: Der Antrag der SPD soll für genügend Aufregung sorgen, damit der bereits in erster Lesung verabschiedete Gesetzentwurf der Bundesregierung endlich vom Ausschuß für Arbeit und Soziales zur abschließenden Lesung an den Bundestag weitergereicht wird und die Rentenzahlungen im Sommer 1996 beginnen können. Ob das klappt, ist dennoch unklar.
Im Deutschlandfunk sagte gestern der stellvertretende Unionsfraktionschef Heiner Geißler, daß er zwar auch für die Auszahlung von Renten sei, diese aber nicht aus der Rentenkasse, sondern vom „Steuerzahler“, also aus dem Topf des Finanzministers, aufgebracht werden müßten. Genau mit diesen Vorschlägen aber hatten die oben genannten Unionshardliner die Gesetzentwürfe blockiert. Bei dem Streit geht es um Kosten von etwa 2,3 Milliarden Mark, allerdings verteilt bis etwa zum Jahre 2015. Die Rentenkassen würden die Fremdrenten mit nur 0,1 Prozent aller Ausgaben belasten.
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