: Im Zweifelsfall im Rollstuhl zur Urne
■ Bei der heutigen Abstimmung zum Sparpaket müssen alle Abgeordneten der Regierungskoalition im Bundestag erscheinen. Sonst gibt's keine Mehrheit
Bonn (AP/dpa) – Der Streit um den sozialpolitischen Teil des Sparpakets der Bundesregierung geht heute im Bundestag voraussichtlich in die letzte Runde. Der Bundesrat legte gestern erwartungsgemäß mit der Mehrheit der SPD-geführten Länder Einspruch gegen die Spargesetze ein. Union und FDP müssen das Votum der Länderkammer im Bundestag mit der „Kanzlermehrheit“ überstimmen. Kanzlermehrheit bedeutet, daß möglichst alle Abgeordneten der Regierungskoalition zur Abstimmung antreten müssen.
Auch Landwirtschaftsminister Borchert und der CSU-Abgeordnete Glos wollen trotz Krankheit erscheinen. Aber selbst wenn es auf jede Stimme ankommt, auf der Trage solle heute keiner in den Bundestag geschleppt werden. Borchert und Glos sollten möglichst zu Fuß kommen, hieß es in deren Büros. Glos war erst am vergangenen Montag am Darm operiert worden. Er kam im Hubschrauber von der Klinik in Oberfranken nach Bonn, sei aber „auf dem Weg der Besserung“. Borchert war an der Bandscheibe operiert worden. Für den Notfall steht ein Rollstuhl bereit, um den Minister zur Urne zu fahren.
Kommt die Kanzlermehrheit zustande, treten die Spargesetze in Kraft. Bei den Vorhaben handelt es sich insbesondere um die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Anhebung des Renteneintrittsalters und Einschränkungen der Leistungen gesetzlicher Krankenkassen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft riefen gestern in einem letzten Appell die Bundestagsabgeordneten auf, das Sparpaket abzulehnen. Im Namen der SPD-geführten Länder begründete Hessens Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) den Einspruch im Bundesrat mit „der sozialen Schieflage“ der Vorlagen. Abgelehnt wurden im Bundesrat auch zwei Begleitgesetze zum Sparpaket, die die Zustimmung der Länderkammer brauchen. Damit sollte unter anderem die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch für Beamte eingeführt werden.
Um den Einspruch des Bundesrats zurückzuweisen, benötigen Union und FDP im Bundestag heute 337 Stimmen. Beide Fraktionen zusammen verfügen über 341 Abgeordnete. Führende Koalitionsvertreter äußerten sich überzeugt, daß die Kanzlermehrheit zustandekommt. Ostdeutsche CDU- Abgeordnete, die das Sparpaket kritisiert hatten, werden nach Angaben ihres Sprechers Paul Krüger geschlossen zustimmen. Auch die Vertreter des CDU-Arbeitnehmerflügels hatten angekündigt, sie würden den Vorlagen zustimmen.
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