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Die Taliban geraten unter Druck

Im Ausland wird massive Kritik an der Repression gegenüber Frauen in Afghanistan laut. Im Lande selbst haben Warlord Dostam und der gestürzte Präsident Rabbani eine Allianz geschlossen  ■ Von Thomas Ruttig

International wächst die Verurteilung der afghanischen Taliban, die nach ihrem Einmarsch in Kabul einen „reinen islamischen Staat“ ausgerufen hatten. US-Außenamtssprecher Nicholas Burns kritisierte gestern grundsätzlich deren Politik der Frauendiskriminierung und drohte mit dem Entzug der internationalen Unterstützung. Trotzdem wolle Washington seine Kontakte zu den neuen extrem islamistischen Machthabern in Kabul aufrechterhalten. Nur so könne man hoffen, erklärte Burns, Einfluß auszuüben und eine Änderung ihres Denkens zu erreichen.

Verurteilungen kamen gestern auch von UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali sowie Bundesaußenminister Klaus Kinkel und seinem kasachischen Amtskollegen Kassimschomart Tokajew, die in Bonn Gespräche führten. Sie kritisierten insbesondere das von den Taliban verhängte Ausbildungs- und Berufsverbot für Frauen sowie das Verbot für Mädchen und Frauen, Schulen und Universitäten zu besuchen. Die Europäische Kommission forderte ebenfalls internationalen Druck auf die Taliban. In einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung der EU-Kommission heißt es, die afghanischen Frauen würden gegenwärtig ihrer grundlegenden Rechte beraubt. Dies habe mit Moral und Religion nichts zu tun. Die internationale Gemeinschaft dürfe angesichts einer Politik nicht schweigen, die auf sexueller Diskriminierung basiere. Ein von der Nachrichtenagentur Interfax zitierter russischer Diplomat warf unterdessen den USA vor, wegen ihrer wirtschaftlichen Interessen in der Region die Taliban zu unterstützen. Es geht ihnen vor allem um den Bau einer Gasleitung von Turkmenistan nach Pakistan durch Afghanistan, erklärte der Diplomat, der anonym bleiben wollte.

Unterdessen sind in Afghanistan die Taliban erstmals seit ihrer Eroberung Kabuls Ende September militärisch unter Druck geraten. Im Pandschir-Tal nördlich von Kabul und am strategisch wichtigen Salang-Paß wurden sie von den ehemaligen Regierungstruppen etwa 30 Kilometer zurückgeworfen, berichteten laut BBC Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die in dem Gebiet tätig sind. Über 100 getötete Taliban seien nach Kabul gebracht worden. Die Truppen der bisherigen Regierung unter dem Kommando von Ahmad Schah Massud hätten die Taliban- Linien am Eingang des Pandschir- Tals durchbrochen und eine Gruppe von ihnen bei der Stadt Dschabal us-Seradsch eingeschlossen. An den Kämpfen sei auch ein Kommando des ebenfalls vertriebenen Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar beteiligt gewesen. In der Nacht zum Donnerstag griffen die Kämpfer Massuds auch den Militärflughafen Bagram 50 Kilometer nördlich von Kabul an.

Am Dienstag hatten der von den Taliban aus Kabul vertriebene Präsident Burhanuddin Rabbani und der usbekische Warlord Abdurraschid Dostam im nordafghanischen Mazar-e Scharif ein Bündnis verabredet. Dostam umarmte seinen ehemaligen Widersacher demonstrativ auf offener Straße. Am Mittwoch schlug Rabbani dann den Taliban einen Waffenstillstand und Gespräche vor. „Wir versuchen einen Weg zu finden, um den Konflikt friedlich beizulegen“, sagte er. Über eine militärische Option habe er mit Dostam nicht gesprochen. Dostam, der sieben Provinzen im Norden vollständig und drei weitere teilweise beherrscht, hatte russische Agenturberichte dementiert, daß seine Einheiten an den Kämpfen am Salang-Tunnel beteiligt gewesen sein.

Die Taliban fühlen sich offensichtlich nach ihrem jüngsten Rückschlag unter Druck. In der Nacht zum Donnerstag sollen sie in Kabul zahlreiche junge Männer zwangsrekrutiert haben, die sie Anwohnern zufolge selbst aus Moscheen verschleppt hätten.

Anfang der Woche berichtete die pakistanische Zeitung Daily Jang, die Taliban hätten die pakistanische Islamisten-Partei Jamaat-i-Ulema-i-Islam (JUI) gebeten, eine neue Verfassung für Afghanistan auszuarbeiten. In den Koranschulen der JUI in Pakistan waren zahlreiche Taliban-Kämpfer religiös und militärisch ausgebildet worden.

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