: Wagenburg-Debatte geht weiter
■ Trotz aufgeheizter Stimmung in der Bezirksverordnetenversammlung hält Hohenschönhausen an der Aufnahme von Rollheimern fest. Bedingung: Rollheimer müssen Strom und Abwasser selber zahlen
Die Vorwürfe nehmen kein Ende. Sie erzeuge Rassismus, sie schaffe ein Klima des Mißtrauens, sie ignoriere den Willen der Bürger. Bezirksbürgermeisterin Bärbel Grygier (für PDS) mußte zur Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch abend wieder einmal harsche Kritik für ihre Wagenburg-Politik einstecken. Grund war eine vom Bezirksamt eingebrachte dringliche Vorlage, die sechs bezirkliche Alternativstandorte zur Unterbringung von 20 Rollheimern mit maximal 15 Wagen ausweist.
Diesen Antrag wollte die CDU aufheben lassen. Keiner der Standorte, so Jörg Ahlfänger (CDU), sei geeignet. Drei der vorgeschlagenen Standorte – am S-Bahnhof Hohenschönhausen, am S-Bahnhof Wartenberg und ein ehemaliger Kohlelagerplatz an der Wartenberger Straße – seien aufgrund der Lärmbelästigung Menschen nicht zuzumuten. Ein anderer – Darßer Straße – sei in der Nähe eines Gewerbegebietes und aufgrund von Bedenken der Investoren nicht tragbar. Beim vierten – Blankenburger Pflasterweg/Dorfstraße Mahlow – sei der Boden verseucht, „hier waren einst Rinderställe“. Und der sechste – Pablo-Picasso- Ecke Gehrenseestraße – könne schon überhaupt nicht akzeptiert werden. 3.000 Unterschriften von Anwohnern liegen dagegen vor sowie Proteste von Investoren. Nach wie vor favorisiert Bärbel Grygier diesen Standort. „Wir können es einfach nicht fassen, warum das Bezirksamt den Luxus eines alternativen Wohnens nach Hohenschönhausen ziehen will“, zeigte sich Ahlfänger empört. CDU-Fraktionsvorsitzender Albrecht Hoffmann warf Grygier vor, mit ihrem Alleingang Rassismus zu erzeugen. Hätte sie die Diskussion nicht eröffnet, „würden wir das Problem nicht haben“.
Peter Michael (SPD) legte nach: Ohne Not habe sich das Bezirksamt ein Problem auf den Tisch gezogen. Zu fragen sei, warum Bürgermeisterin Grygier unbedingt Rollheimer im Bezirk haben wolle, warum sie die Ängste der Anwohner ignoriere. „Sie haben ein Klima des Mißtrauens geschaffen“, klagte Michael. Die SPD- Fraktion schloß sich dem Aufhebungsantrag der CDU an. Doch die 16 Stimmen reichten nicht aus, um die Vorlage zu kippen. Denn PDS und Bündnis 90/Grüne (21 Stimmen) votierten dagegen. Damit hat das Bezirksamt den Auftrag bekommen, die Standorte zu untersuchen.
Nach der Räumung der East-Side-Gallery im Sommer hat sich Bärbel Grygier auf die Suche nach einem Ersatzstandort in ihrem Bezirk gemacht. Denn Beispiele in Pankow, Prenzlauer Berg und Köpenick hätten gezeigt, daß es durchaus möglich sei, einvernehmlich mit Wagenburglern zu leben. Heinz Oertel (PDS) sieht das nicht anders: „Man muß den Menschen eine Perspektive geben und sie nicht ausgrenzen.“ Frank Bühling (PDS) warf der CDU Intoleranz und das Schüren von Haß vor.
Die Wagenburg-Debatte geht nun in die nächste Runde. Anwohner und Rollheimer sollen miteinander statt übereinander reden. Erst dann soll entschieden werden, welcher Standort der beste sei. Konkrete Auflagen hat das Bezirksamt den Rollheimern gestellt: keine finanzielle Beteiligung. Die Rollheimer müßten selbst die anfallenden Kosten (Versorgung mit Strom, Entsorgung von Abwässern, Ökotoiletten) tragen. Jens Rübsam
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