piwik no script img

Sadistische Altenpfleger verurteilt

Sie schmierten Frauen mit Kot ein, versengten einem 78jährigen Mann Kopf- und Schamhaare. Für diese und andere Demütigungen erhielten vier Pflegekräfte jetzt Haftstrafen  ■ Aus Hamburg Stefanie Winter

Wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen, sexueller Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung sind vier ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Hamburger Altenpflegeheims gestern zu Haftstrafen von bis zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden. „Kindesmißhandlungen sind uns leider bekannt“, sagte Amtsrichter Klaus-Ulrich Tempcke während der Urteilsbegründung. „Mißhandlungen von behinderten und alten Menschen bisher nicht – und vor allem nicht in dieser Dimension.“

Kopf- und Schamhaare eines 78jährigen hatten die Auszubildenden und ihre Anleiterin mit einem Feuerzeug in Brand gesteckt, zwei alten Patientinnen Kot ins Gesicht geschmiert und dies als neues Kosmetikprodukt deklariert. Eine Patientin wurde von den Angeklagten nackt in das Zimmer eines alten Heimbewohners gesperrt. Mehrfach wählten die Pfleger Telefonsexnummern, um den Hörer anschließend alten verwirrten Patienten ans Ohr zu halten. Einer türkischen Mitarbeiterin wickelten sie einen Schal um die Füße, um sie „als Feudel“ über den Stationsflur zu schleifen.

Einen jungen Kollegen unterzogen sie einer „rituellen Waschung“, um ihn sexuell zu manipulieren; einer anderen Kollegin mischten sie antibiotische Salbe in den Saft. Lediglich Nivea sei das gewesen, hatten die Angeklagten abgewiegelt, und viele Vorwürfe seien überhaupt nicht wahr. Das mit dem Feuerzeug sei ein Versehen gewesen, weil es eben dunkel war. Und ihren eigenen Kot hätten sie zwar in einem Behälter gesammelt, aber nur, um ihn der Pflegedienstleitung anonym zu Weihnachten zu schicken. „Die haben uns so hängenlassen“, sagte die 24jährige Auszubildende, die das Gericht als Haupttäterin ansieht.

Zu zweit oder bestenfalls zu dritt hätten sie die 26 verwirrten Pflegebedürftigen regelmäßig betreuen müssen; Proteste gegen den personellen Mißstand seien erfolglos geblieben. Da hätten sie auch einfach mal Dampf ablassen müssen. „Wir haben ständig mit Blut, Kot und Urin zu tun.“ Und mit Heimbewohnern, die ständig telefonieren wollten oder oft betrunken seien. Scherze aller, auch derber Art, seien unter dem Personal häufig und üblich gewesen. Es waren Kollegen, die diese „Scherze“ und Mißhandlungen zur Anzeige brachten – und auf deren Aussagen sich das Gericht in seinem Urteil stützt. Zwei der Opfer sind bereits verstorben, die anderen waren zu verwirrt, um als Zeugen aussagen zu können.

Während der fünftägigen – für einen Amtsgerichtsprozeß sehr umfangreichen – Beweisaufnahme habe sich „Unvorstellbares“ offenbart, so der Richter. Als mittelbare Folge sei nicht nur dieses eine Pflegeheim in Verruf geraten, sondern auch generell der Berufsstand des Altenpflegers. Von dem Urteil erwartet Tempcke eine Signalwirkung.

Angesichts der zunehmenden Zahl hilfebedürftiger alter Menschen müsse klar sein, daß niemand auf eine milde Strafe hoffen könne, wenn er diese Menschen derart behandele. Drei der vier Angeklagten werden ab sofort und mehrere Jahre lang ihren Beruf nicht ausüben dürfen; das Berufsverbot gilt mindestens ein Jahr über die jeweils verhängte Haftzeit hinaus. Die achtmonatige Haftstrafe des vierten Angeklagten wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Zusätzlich muß der 23jährige 2.000 Mark Geldbuße an das Pflegeheim zahlen, damit er, so der Richter, das Urteil nicht einfach „irgendwo abheftet“.

Von dem Geld solle ein Fest für die Bewohner ausgerichtet werden, da so etwas in Zeiten knapper Kassen häufig unter den Tisch falle. Eine Mitarbeiterin des Pflegeheims, die als Zuhörerin im Gerichtssaal saß, kommentierte diesen Vorschlag gestern mit einem fatalistischen Seufzer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen