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Der Weltmarkt lockt und droht zugleich

Zukunft als Giftspritzer oder Biobauer: Die Landwirtschaft soll aus der Sackgasse kommen  ■ Aus Berlin Reiner Metzger

Nun pilgern Hunderttausende Deutsche wieder zur Grünen Woche in Berlin, um Köstlichkeiten aus aller Herren Länder zu bewundern. Das vermehrte Schlemmen hilft dem Agrarbusiness sicherlich in ihrem Kampf gegen die Nahrungsmittelüberschüsse. Doch die wirklichen Hoffnungen der Landwirtschaftsfunktionäre gründen sich auf den Weltmarkt. Wenn die Boomländer in Asien immer mehr Fleisch verbrauchen, steigt auch der Bedarf an Futtergetreide drastisch. Da wollen die deutschen und europäischen Exporteure in direkter Konkurrenz zu den USA mithalten können. Weil Weltmarkt eines der Zauberwörter unserer Epoche ist.

So jedenfalls sind die Reden der Agrarfunktionäre in Bonn und Brüssel zu deuten. Wer aber sein Geld im Handel mit der weiten Welt verdienen will, der muß in diesen Zeiten auch die eigenen Lagerhäuser öffnen. Die finanziellen Hilfen für Äpfel, Weizen oder Schweinefleisch innerhalb der EU müssen dann umgekrempelt werden. Auch mit den teuren Subventionen für den Export ist es dann vorbei. Zur Zeit geht die Hälfte des EU-Haushalts in den Agrarbereich, etwa 80 Milliarden Mark. Davon sehen die Bauern aber nur 40 Prozent, der Rest geht an Lagerhalter, verarbeitende Industrie und Exporthändler.

Das eigentliche Problem ist aber laut dem BUND-Agrarexperten Andreas Krug die Art der Subventionen: Mit dem größten Teil der Milliarden wird nämlich die intensive Produktion von Pflanzen wie Weizen oder Obst belohnt. Die Zuschüsse steigen grob gesagt mit dem Ertrag und der Hektarzahl. Das bevorzugt Großbauern, die mit viel Chemie und Dünger arbeiten. Krug: „Diese 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe erhalten 80 Prozent der Subventionen.“

Das Problem speziell der immer noch dominierenden Familienbetriebe: Sie können nicht einfach den Betrieb rationalisieren und sich so fit für die beinharte Konkurrenz machen, wie das die Industriekonzerne tun: Sie haben kein aufgeblähtes Management, keine Belegschaft und arbeiten schon jetzt die meiste Zeit des Jahres sechs Tage die Woche von Sonnenaufgang bis in die Nacht. Selbst bei der Verdienstspanne ist nicht mehr viel drin. Laut einer breiten Umfrage des Bauernverbands erwirtschaftete eine Familienarbeitskraft im letzen Abrechnungsjahr 1995/96 im Schnitt ein Plus von 34.500 Mark. Das ist rund ein Drittel weniger als der Durchschnittslohn im Gewerbe.

In Deutschland bewirtschaften die 567.000 landwirtschaftlichen Betriebe im Schnitt etwa 40 Hektar. Damit sind moderne Farmen mit riesigen arbeitssparenden Feldern genausowenig zu betreiben wie schon existierende Schweineställe mit einem jährlichen Durchsatz von Hunderttausenden Mastschweinen.

Wer Weltmarkt sagt, meint also den Tod der in den meisten Ländern der EU dominierenden, kleingliedrigen Landwirtschaft. Das kritisieren auch Bauern außerhalb des Deutschen Bauernverbandes wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in ihrem zur Grünen Woche vorgelegten Kritischen Agrarbericht. Nach deren Meinung überleben Großbetriebe mit maximaler Nutzung aller Möglichkeiten. Mit Gentechnik, Antibiotika und Hormonen garantieren sie dem weiterverarbeitenden Gewerbe einen hohen Output gleichbleibender Qualität.

Gleichzeitig hätten Agrarpolitiker und Teile der Bauernverbände gern noch einige Biobauern und Landschaftspfleger. Damit die Tourismusindustrie ein geeignetes Umfeld hat samt gestutzten Waldrändern und Ferien auf dem Bauernhof. Dafür gibt es dann einige Brosamen vom Subventionstisch in Form von Beihilfen für extensive Bewirtschaftung.

Doch manche Bauern waren schon immer Dickschädel, die sich nicht mit der herrschenden Meinung abfinden wollten. So fordert die AbL in Zeiten der Liberalisierung einen Tausch von Weltmarktanteilen gegen eine Importregulierung. Die EU soll bei den kommenden WTO-Verhandlungen einen Kompromiß mit den USA erreichen: Wir vom alten Kontinent produzieren nicht auf Teufel komm raus Überschüsse für den Rest der Welt und importieren dafür weniger Fleisch und Getreide aus den bereits voll industrialisierten Agrarregionen.

„Die gegenwärtige Welle der Liberalisierung wird nicht ewig Bestand haben“, meint Wolfgang Reimer von der AbL. Der Biobauer aus Baden-Württemberg weiß, daß er gegenwärtig nur eine Rückzugsstrategie fahren kann, weil der freie Handel in den Köpfen dominiert. „Das kann in fünf oder zehn Jahren schon ganz anders aussehen, wenn man die riesigen Probleme für den Sozialstaat in Betracht zieht.“

Eine Änderung der staatlichen Förderung brächte schnell Geld in die Kassen der kleinen und mittleren Betriebe: Je größer die Fläche, desto geringer die Zuschüsse, zum Beispiel. Und je ummweltfreundlicher, desto mehr Geld. Dadurch würde der Verbrauch an Dünger und Spritzmitteln sinken. Das wiederum würde den Ertrag nach unten drücken und damit die teuren Exporte auf den Agrar-Weltmarkt überflüssig machen.

Geld genug wäre vorhanden. Laut dem letztjährigen Agrarbericht der Bundesregierung kassieren die deutschen Bauern 28 Milliarden Mark an Subventionen von Bund, Ländern und der EU – gut 1.600 Mark pro Hektar (10.000 Quadratmeter) Nutzfläche. Mit diesen Milliarden wäre eine Umstellung wenn nicht auf Biohöfe, so doch zumindest auf eine umweltverträglichere Landwirtschaft möglich. Daß das noch nicht passiert, liegt einerseits an den Funktionären des Bauernverbandes: Sie stammen meist aus großen Betrieben, die an der bisherigen Politik gut verdienen. Andererseits werfen die Chemiekonzerne mit ihren Dünger-, Pestizid- und Hormonsparten ihr schweres Gewicht in die Brüsseler, Bonner und sonstigen Waagschalen.

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