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Berliner Simulationen

Rosemarie Fieting imitierte schon als Fünfjährige Liz Taylor. Heute vermittelt sie Doppelgänger, Skurrilitäten und Tiere. Über Identitäts- und Originalitätsfragen von Lookalikes  ■ Von Helmut Höge

Ihre Künstleragentur ist die erste mit einer Lizenz der Bundesanstalt für Arbeit. Sie selbst war 1963 die erste Mieterin im Märkischen Viertel, wo sie eine Musterwohnung bezog. Mit der Agenturgründung 1987 kam noch ein Büro nebst Keller am Wilhelmsruher Damm 103 hinzu. Die gelernte Industriekauffrau, in Lothringen geboren, war zunächst lange Jahre Chefsekretärin – erst bei Telefunken/AEG, dann bei Borsig. Als der US-Konzern Babcock die Firma übernahm, machte sie sich selbständig. Schon als Fünfjährige sah sie Liz Taylor ähnlich, so daß sie oft Liz genannt wurde: „Ich sah zwar sehr weiblich aus, war aber eher ein wilder Junge.“ 35jährig gab sie Autogramme – als Liz Taylor. 1995 trat sie in München auf einer Feier „100 Jahre Film“ als die Taylor auf. Daneben übernahm sie immer wieder Filmrollen – in der SFB-Serie „Drei Damen vom Grill“ spielte sie die „Frau Doktor“.

Rosi Fieting kennt inzwischen auch alle Sender von innen. Und acht Jahre lang sendete sie selbst: einmal in der Woche 30 Minuten „Kaleidoskop-TV“ über das Berliner Kabelnetz, wobei sie sogar die Kamera selbst bediente. Heute fotografiert sie ihre Künstler. „Doppelgängerauftritte waren damals noch neu. Ich habe mir langsam einen Bestand aufgebaut: Mit einem Elvis allein kann man das nicht machen.“ Heute hat sie rund 35 Elvis- Interpreten in ihrer Kartei. Mit unterschiedlichen Tanz- und Gesangsqualitäten.

Ihr Vater hatte eine Autoreparaturwerkstatt und fuhr einen Dodge. Schon früh half sie ihm beim Schrauben. Bis heute mag sie vor allem Mercedes-Limousinen und verabscheut „die kleinen grünen Männer“. Ihr Sohn – ein Image-Mix aus Freddie Mercury und Tom Selleck – hat jetzt ebenfalls eine Werkstatt, in der er Oldtimer restauriert. Rosi Fietings richtiger Tom Selleck-Lookalike wiederum ist Kfz-Meister in Frankfurt am Main. Ihren ersten Mercedes, einen 280 SL, silber-metallic, Baujahr 1964, erwarb sie als Vorstandssekretärin: „Den habe ich mir geleistet. Die Abteilungsleiter haben den Hut gezogen, wenn ich morgens durchs Tor fuhr.“ Mit ihren 151,5 Zentimetern trägt sie ebenfalls am liebsten große Hüte – und hohe Absätze, früher bis zu 17 Zentimeter hohe Plateausohlen. Und dann hat sie mehrere Pudel: „Ohne Mann könnte ich leben, aber nicht ohne Tiere!“

Inzwischen könnte sie sich dafür ein Haus im Grünen leisten, „aber ich habe ja keine Zeit, ich bin immer unterwegs: Da treten wir mit der ,Queen‘ in London vor dem Buckingham-Palast auf, dann bin ich in Ungarn, dann in Holland. Seit 13 Jahren habe ich keinen Urlaub mehr gehabt. Und dann kann ich hier auch sowieso gar nicht wegziehen, weil ich den Keller für meine ganzen Klamotten brauche. Allein 400 Hüte liegen da. Auch viele alte Pelze, die ich aber nicht mehr trage – als Tierfreund. Ich geb's zu, ich bin kaufsüchtig. Das kann aber ruhig alles preiswert sein, ich habe ja ein teures Gesicht. Außerdem kann ich das alles von der Steuer absetzen. Und dann bringe ich mich auch gerne in den Mittelpunkt.

Aber bei meinen Lookalikes trete ich zurück.“ Allein 50.000 DM gibt ihre Agentur jährlich für Werbung in diversen Filmproduktions-Handbüchern aus.

Im Prinzip kann „die Fieting“ inzwischen jeden und alles besorgen: eine Giraffe zum Beispiel, die jemandem im zweiten Stockwerk durchs Fenster mit einem Blumenstrauß zum Geburtstag gratuliert. Einen Elefanten, der die Leute mit Schaum rasiert: „Das haben sie einem Bürgermeister mal zum Jubiläum geschenkt.“

Oder die zwei „Toyota-Affen“, die auf einer Gala zur Verleihung der „Goldenen Kamera“ auftreten sollten. Aber auch einen Mann, der aussieht „wie eine Dogge“. Ihr „Udo Jürgens“ sieht nicht nur so aus wie sein Vorbild, sondern kann sogar auf Wunsch auch so singen. Und „Demis Russos“ kann nicht nur so singen wie der richtige Demis, sondern auch so wie der richtige Tom Jones: Er ist Stimmenimitator. Manche Aufträge erfordern Erfindergeist: Einmal wurden zum Beispiel zwei Goldfische verlangt, die miteinander reden sollten. Frau Fieting nahm ihre eigenen und trennte sie mit einer Glasscheibe im Becken. Sofort schwammen sie von beiden Seiten gegen die Scheibe, wobei sie ihre Mäuler auf- und zumachten: „Es sah einer Unterhaltung täuschend ähnlich.“ Mitunter rufen auch komische Leute an, die wollen beispielsweise eine Doppelgängerin von ihrer Frau: „So was kann man doch nicht in der Kartei haben. Aus New York kam gerade ein Fax: Die wollten einen ,präzisen BMW-Fahrer‘ für einen Dreh in Polen. Was heißt nun ,präzise‘?“

Eine Firma in Los Angeles verlangte neulich auf die Schnelle einen „Hitler“, meldete sich dann aber nicht wieder. Sie hat Hitler gleich dreimal im Angebot, aber dafür nur einen Papst: „Mein ,Papst‘ – der ist so süß, auch Juhnke, der echte, war richtig beeindruckt von dem, grad' neulich war das – bei Linda de Mol.“ Und „Erich Honecker“ gibt es zweimal: „Einer heißt auch noch Horst- Erich.“ Ihr „Udo Lindenberg“ ist im bürgerlichen Beruf Koch, benimmt sich aber so unbürgerlich wie sein Vorbild: „Er trinkt und flucht gerne.“ Jüngst geriet er in eine Schlägerei und mußte mit verbundener Nase auftreten. Fietings „Tina Turner“, Brina, hat vier Kinder und ist etwas füllig, „aber sie ist so gut, daß Ingrid Steeger extra mal in die Agentur kam, um von ihr zu lernen, wie Tina Turner sich auf der Bühne bewegt.

Neulich war die echte Tina bei Gottschalk, und da sah ich, daß sie sich neuerdings anders kleidet: weg von ihrem Rockerbraut- Image, und daß sie auch ein paar neue Bewegungen hat. Das habe ich sofort für Brina aufgenommen: Die muß da ja immer auf dem laufenden bleiben.“ Ihre „Pamela Anderson“, mit der sie gerade auf „Baywatch“-Discotournee ging und die laut Bild dieselben Hobbys wie die echte hat, ist gerade furchtbar verzweifelt, weil sich in Hollywood plötzlich alle Frauen ihre Brüste vergrößern lassen und sie das eigentlich nicht will. Rosemarie Fieting bestärkt sie darin: „Deine Stärke sind die Haare und der Mund, du wirst dir doch nicht deinen schönen Busen aufschneiden lassen, habe ich zu ihr gesagt. Neulich wurde sie Zweite bei Rolf Edens ,Miß Berlin Wahl‘. Auch das hat sie traurig gemacht: Sie wollte doch Erste werden. Sie ist noch sehr jung und muß noch viel lernen.“

Der älteste Look-Alike ihrer Agentur ist achtzig: „Albert Einstein“, früher war er halbleitender Angestellter: „Er kennt die Relativitätstheorie und alle Formeln und spielt Geige. Mit einem Professor ist er schon mal auf Lesetournee gegangen. Ich habe mit ihm einen Fototermin in einem Spielcasino und im Café Einstein gemacht. Der ist wirklich sehr brauchbar.“

Obwohl Rosemarie Fieting einen großen Fundus im Keller besitzt und gerne mithilft, auf die Schnelle was Neues zurechtzumachen, lassen sich die meisten Darsteller ihre Garderobe schneidern. „,Prince‘ näht sich alles selbst, und ,Freddie Mercury‘ hat sich sogar die Zähne nach seinem Vorbild machen lassen. An jedem Todestag besucht er auf dem Londoner Friedhof dessen Grab. Der denkt, er wäre es selbst.“

Eher umgekehrt liegt der Fall bei einem ihrer 35 „Michael Jackson“, einem Südafrikaner, über den es bereits einen Film gibt „Das gestohlene Gesicht“: „Er sieht nämlich ohne Operationen genauso aus wie Michael Jackson nach seinen ganzen kosmetischen Eingriffen.“ Der seltene Fall, wo die Kopie das Original ist. Auch über „Julia Roberts“, die Gottschalk für eine Sendung in Linz haben wollte, weil zur gleichen Zeit auf einem Konkurrenzsender „Pretty Woman“ lief, schrieben die Zeitungen am nächsten Tag: „Es war die echte!“ Da Rosi Fieting keine in ihrem „Bestand“ hatte, wurde ihr eine in Haifa vermittelt, über eine Glasgower Agentur: „Da waren schließlich vier Agenturen dazwischen, die alle bezahlt werden mußten. Das Mädel hat am wenigsten gekriegt.“

Die Fietingschen Simulations- Künstler beschränken sich oft nicht darauf, nur ihr Vorbild zu sein, sie wollen auch von allen anderen als solche behandelt werden. Bei ihrer „Pamela“ äußert sich das noch halbwegs harmlos darin, daß sie stets mit einer echten Fantruppe aufkreuzt: „Die rennen ihr bei Dreharbeiten bis aufs Mädchenklo nach. Gerade macht arte ein Special über sie. Ich habe ihr gesagt: ,Wir müssen aber noch üben, üben, üben!‘“ Weitaus schwieriger ist es bei „Prinz Charles“: „Der will genauso behandelt werden wie der richtige – man muß

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immer einen roten Teppich ausrollen. Anstrengend! Meine ,Queen‘ ging so weit, daß sie dem Bürgermeister nicht die Hand geben wollte: ,Das steht nicht im Protokoll‘, hat sie gesagt. Von den ,Marilyns‘ hat sich eine sogar mal umgebracht – und zwar genauso wie die Monroe. Meine jetzige, Lisa Pic, ist zum Glück unkomplizierter: Sie wird jeden Monat mehrmals gebucht. Einmal traten alle Lookalike-Marilyns im ZDF auf. Sie mögen sich natürlich untereinander überhaupt nicht.“ Ihr Humphrey Bogart hat sich gerade für 20.000 DM liften lassen, um dem Frühverstorbenen ähnlich zu bleiben. Und „Roger Moore“, ein gefragter Dressman, wird von ihr als „mindestens so schwierig wie der richtige“ bezeichnet. „Das Phänomen der Doppelgänger ist: Sie wissen nicht, wer war das Original und wer bin ich? Sie da immer wieder auf den Teppich zurückzuholen ist schwer. Jetzt lasse ich das auch: Die sind ja so am besten!“

Ein weiteres Phänomen ist die zunehmende Verbreitung von Doppelgängern, die keineswegs bloß eine Sache gesteigerter Nachfrage ist. Sie scheint mit dem vom englischen Botaniker Rupert Sheldrake erforschten „morphogenetischen Feld“ erklärbar zu sein: Immaterielle Strukturen, die bei Lebewesen und sogar bei Kristallen qua Resonanz formbildend wirken. Danach würden die Stars und Prominenten über die Medien in ihrem jeweiligen kulturellen Epizentrum die größte „Wirkung auf Distanz erzielen – das heißt, die größte Anzahl von Lookalikes. Und damit wiederum ließen sich – über ihre geographische Verteilung – quasi Zonen medialer Beeinflussung ausmachen, die im „Globalen Dorf“ zwar weit reichen können, aber nicht beliebig sind. Es gibt zum Beispiel vier „Queens“, drei kommen aus London, wo die Königsfamilie anscheinend noch eine starke Vorbildfunktion besitzt. Rosemarie Fieting hat ferner dreimal „Lady Di“ im Angebot: zwei kommen ebenfalls aus England, eine aus dem englischen Sektor Berlins. „Sie sagt immer: ,Ick bin aus Brighton!‘“ Ihre „Marlene Dietrich“ kommt aus Berlin und „George Bush“ aus Amerika, „Linda Evans“ stammt aus Frankfurt- Bockenheim, und ihr äußerst gelungenes Otto-Double – natürlich aus Ostfriesland. Er ist dort jetzt Kinovorführer. Einmal sollte er in einem Otto-Film seinen Kopf in eine Guillotine stecken. Er hat immer seine Mutter dabei: Sie hat das nicht zugelassen und ihn sofort mit nach Hause genommen – ihr Heinzi hätte ja einen Herzschlag kriegen können. Er traut sich nichts, ruft aber immer mal wieder an und will Aufträge. Otto, der echte, würde ihn auch für zwölf Tage buchen, aber es ist schwierig mit der Mutter.“ 1.750 Lookalikes umfaßt die Fietingsche Kartei mittlerweile. Den falschen Otto gibt es nur einmal, Michael Schumacher jedoch schon sechsmal – Tendenz steigend. Unseren „Wahren Heino“ hat sie nicht unter Vertrag. Bei ihrem „Mr. Bean“ hatte sie mehrmals das Problem, daß die Produktionsfirmen nach einem ersten Auftrag einfach ihre Agentur umgingen und ihn direkt engagierten. Wenig Glück hatte Rosi Fieting auch mit ihrem ersten „Bill Clinton“, einem Ingenieur aus Ostberlin, der sächselte, aber sehr höflich und schüchtern war: „Der wurde laufend rot im Gesicht, und dann sah er Clinton noch ähnlicher. Sein erster Auftritt in Frankfurt war sehr gut. Leider hat ihm dann seine Frau alle weiteren verboten.“

Bei vielen Tieraufträgen hat sie erst mal mit den nicht minder „schwierigen“ Herrchen oder Frauchen zu tun, die oft besondere Bedingungen stellen. Bei einer Katze, die für 400 DM in Prenzlauer Berg in einem FU- Lehrfilm mitspielen sollte, waren das zum Beispiel „keine Scheinwerfer, keine Zugluft, keine Straßenszenen“. Angenehm überrascht ist sie über das neue Geschäftsgebaren im Osten: „Da kann ich für meinen Honecker oder meinen Lindenberg soviel verlangen, wie ich will, die sagen nie: ,Kann's nicht ein bißchen weniger sein?‘“ Im Gegensatz zu ihren Künstlern wird Rosemarie Fieting nicht nur als Doppelgängerin von Liz Taylor gebucht, sondern oft auch als Agenturchefin: zuletzt für die MDR-Sendung „Weibsbilder“. Ihren nächsten Coup hat sie mit dem Fernsehmoderator Kerner vor: „Den will ich jetzt mal mit dem Original doubeln. Bin gespannt, was da passiert.“ Vor Pannen hat sie keine Angst. „Meine Freundin sagt immer: ,Macht nichts, das verspielt sich!‘“

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