: Unverbrüchliche Treue zum Iran
■ Deutsch-iranische Beziehungen von Genscher bis Kinkel: Wirtschaftsförderung, Waffenexport, Druck auf die Justiz
Der Brief des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher klang banal, war aber Gold wert. Was er am 10. Mai 1981 an Hans-Arndt Vogels, Aufsichtsratsmitgleid der Fritz Werner Industrie-Anlagen GmbH schrieb, bedeutete für die Waffenschmiede ungestörte Geschäfte mit einem Interessenten, der gerade Krieg führte: dem Iran. Im Brief hieß es: „Das Auswärtige Amt ist dabei, die Fragen, bei denen zur Zeit der militärische Konflikt zwischen Iran und Irak eine Rolle spielt, zu überprüfen. Ich hoffe, daß sich eine Lösung finden läßt, die es erlaubt, Ausfuhrgenehmigungen für Ersatz- und Verschleißteile sowie für Zubehör und Werkzeuge aus Altverträgen zu erteilen.“
Die Lösung ließ sich finden, und so ließ sich die Tatsache übergehen, daß spätestens seit dem offenen Ausbruch des ersten Golfkriegs Iran eigentlich unter die Sperrklausel des deutschen Waffenexportverbots fiel.
Mit dem Verweis auf Altverträge mit dem Schah-Regime lieferte Fritz Werner bis zum Ende des Golfkriegs für mindestens 120 Millionen Mark Anlagen zur Munitionsherstellung. Dabei befand sich Fritz Werner in bester Gesellschaft. Die Soldaten und Pasderan wurden mit Lkw von Mercedes und Iveco an die Front gekarrt, sie schossen aus Heckler&Koch-Maschinengewehren, die Panzer rollten auf Ketten, die der Nürnberger Panzerbauer Diehl produziert hatte. Selbst hochsensible Pestizidanlagen, die ohne größere Umbauten auch zur Chemiewaffenproduktion genutzt werden können, wurden in den 80er Jahren mit Hilfe von Bayer und dem Frankfurter Anlagenbauer Lurgi in den Iran geschafft.
Es versteht sich, daß Waffenlieferungen in diesem Umfang, auch wenn sie als Umgehungsgeschäfte getarnt waren, nicht an der Bundesregierung vorbei gingen. Es war auch kein Zufall, daß Vogels sich 1981 an Außenminister Genscher wandte und dieser sich des Problems persönlich annahm. „Genscher“, sagt ein damaliger Mitarbeiter, „war vom Iran fasziniert.“ Dazu kam die Gelegenheit, endlich einmal große Politik machen zu können. Nach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran wurden die Deutschen zum westlichen Brückenkopf im Iran, die für die USA die Kontakte aufrechterhielten. Ein Teil der Geheimverhandlungen zur Freilassung der US- Geiseln fand 1980 in Bonn statt. Verhandlungsführer der Iraner war ein damals noch junger Mann, der letztlich wohl wesentlichen Anteil daran hatte, daß Chomeini die Amerikaner ziehen ließ. Sein Name: Dr. Sadegh Tabatabai, sein damaliges Gegenüber auf US- Seite, Warren Christopher, Sonderbeauftragter Präsident Carters. Tabatabai hat 1970 bis 1974 Biochemie in Bochum studiert. Er kennt sich in Deutschland gut aus und hat gleichzeitig als Schwager des Chomeini-Sohnes Ahmet Zugang zur höchsten Autorität in Teheran. Er wird Genschers bevorzugter Ansprechpartner. Tabatabai ist Sonderbeauftragter Chomeinis für den Kontakt zu westlichen Waffenlieferanten – eine Schlüsselrolle.
Genschers Nachfolger und Vertrauter Klaus Kinkel war als Chef des Auslandsnachrichtendienstes BND 1979 mit dem Wunsch der Iraner konfrontiert, ihnen doch bei dem Neuaufbau eines Geheimdienstes behilflich sein. So weit wollte Bonn nicht gehen, aber die Ausbildung einzelner Leute in Pullach wurde immerhin Programm.
Beide FDP-Leute standen und stehen seitdem in unverbrüchlicher Treue zum Iran. 1985 war Genscher der erste Außenminister der westlichen Welt, der den Iran nach der Revolution besuchte. „Auf Drängen der deutschen Industrie“, wie Johannes Vandenrath, in den 80er Jahren Leiter des Goethe-Instituts in Teheran, mutmaßt. Schließlich gingen die Exporte in den Iran, die 1983 auf dem historischen Höchststand von acht Milliarden Mark waren, langsam, aber sicher zurück. 1983 hatte Genscher sich wieder einmal um die deutsch-iranischen Beziehungen besonders verdient gemacht. Im Januar 1983 wurde Tabatabai auf dem Düsseldorfer Flughafen festgenommen. Der Zoll fand in seinem Gepäck etliche Stangen Opium im Wert von 40.000 Mark. Das Auswärtige Amt zögerte keine Minute und sorgte mit dafür, daß Tabatabai umgehend gegen eine Kaution auf freien Fuß kam. Schließlich bekam Tabatabai als Sonderbotschafter diplomatischen Status zuerkannt und flog am nächsten Tag zurück nach Teheran. Der Düsseldorfer Richter beklagte sich bitter über die Zumutungen an die Justiz. Bereits im Herbst 1982 hatte die Kasseler Staatsanwaltschaft Tabatabai im Visier gehabt, weil dieser angeblich in Deutschland den Kauf von 50 US-Panzern eingefädelt hatte. Ein Wink aus Bonn führte zu einer Einstellung des Verfahrens. Das Regime in Teheran hat also einigen Anlaß, deutsche Beteuerungen über die Unabhängigkeit der Justiz nicht ganz ernst zu nehmen.
Tabatabai seinerseits setze sich im Herbst 1982 in Bonn für iranische Schutzbefohlene in den Klauen der deutschen Justiz ein. In Mainz hatten Chomeini-Anhänger eine Gruppe regimekritischer Studenten brutal zusammengeschlagen. Als ihnen die Ausweisung drohte, bat Tabatabai, die Prügelperser doch wenigstens zu Ende studieren zu lassen. Bonn gab wieder nach. Die Aufenthaltsgenehmigung eines ihrer damaligen Anführer, Kazem Darabi, war auf Drängen des Auswärtigen Amtes mehrfach verlängert worden, zuletzt, als der Chef dort bereits Klaus Kinkel hieß. Darabi wude jetzt im „Mykonos“-Prozeß zu lebenslanger Haft verurteilt. Er habe, so das Gericht, die vier Morde an iranisch-kurdischen Oppositionellen organisiert. Jürgen Gottschlich
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