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Europa buhlt um Paris

■ Deutsch-französischer Gipfel in Poitiers

Europa läßt der neuen Regierung in Frankreich keine Zeit zum Nachdenken. Kaum hatte die rot-rosa-grüne Koalition Anfang der Woche Bedenken gegen eine rein monetaristische Politik angemeldet, setzte eine intensive Reisetätigkeit nach Paris ein. Der Niederländer Kok, der Brite Blair und der EU-Chef Santer versuchten mit geballter Kraft, Abweichungen vom Terminplan zum Endziel Euro zu verhindern. Heute ist Kohl dran, der zum deutsch- französischen Gipfel nach Poitiers reist, wo er sich nolens volens mit dem Gespann Chirac/Jospin anfreunden muß und vorletzte Absprachen für den Amsterdamer EU-Gipfel treffen kann. Aber auch für den Rest Europas haben sich die Koordinaten verändert. Binnen weniger Tage mußten Regierungen wie die in Bonn, die sich jahrelang geweigert hatten, diesen Schritt zu tun, ein zusätzliches Beschäftigungskapitel für den Übergang in die Währungsunion erwägen. Kohl, der sich noch bis vor kurzem in der neoliberalen Gesellschaft von Major und Juppé befand, muß sich heute einem sozialdemokratischen Übergewicht in Europa anpassen. Die Kohabitation kompliziert die Geschäfte, weil intern und extern mehr abgestimmt werden muß. Das kann aber für alle Seiten von Vorteil sein.

Die Forderung der neuen Pariser Regierung nach einer sozialen Komponente beim Euro ermöglicht, daß Jospin seinen Wählern beweisen konnte, daß er seinen Wahlkampfversprechungen treu geblieben ist. Kohl konnte der Opposition zeigen, daß er kein sturer Monetarist ist, der EU-Präsident sein beschäftigungspolitisches Engagement beteuern, und selbst der objektive Verlierer der Parlamentswahlen in Frankreich, Präsident Chirac, kann nun stolz darauf verweisen, daß er schließlich schon immer für ein soziales Europa gewesen sei.

Wenige Tage nach dem großen Krisengeschrei in Bonn steht damit einer termingerechten Vertragsunterzeichnung in Amsterdam nichts mehr im Wege. Die neuen Weichmacher in Paris haben dafür gesorgt, daß es zusätzlich zu dem Stabilitätspakt ein Beschäftigungskapitel geben wird, das vor guten Absichten nur so strotzt. Daß es nichts kosten darf und deswegen soviel wert sein wird wie die vorausgegangenen beschäftigungspolitischen Beteuerungen der EU-Gipfel, steht auf einem anderen Blatt. Dorothea Hahn

Bericht Seite 8

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