: Die Öffentlichkeit bleibt vor der Tür
An zwanzig Standorten will der US-Konzern Monsanto genmanipulierten Raps freisetzen. Informationen über die Experimente erhalten die Gemeinden erst, wenn schon alles genehmigt ist ■ Von Wolfgang Löhr
Berlin (taz) – „Wir werden hier einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Günther Hobert (CDU), Ortvorsteher im hessischen Iba, ist verärgert. Vor kurzem hat er erfahren, daß der US-Chemiekonzern Monsanto genmanipulierte Rapspflanzen in dem Vorort von Bebra noch in diesem Jahr ausbringen will. Die Gemeinde wurde über den Versuch erst informiert, nachdem die zuständige Genehmigungsbehörde, das Robert-Koch- Institut (RKI) in Berlin, grünes Licht für das Freilandexperiment gegeben hatte.
Monsanto nutzt eine Änderung in der Genehmigungspraxis von Freisetzungen. Mußten bisher die Antragsunterlagen vorab zur Einsichtnahme für die Bevölkerung ausgelegt werden, entscheidet nach dem sogenannten „vereinfachten Verfahren“ das RKI ganz ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. „In den nächsten Tagen schon sollen die Gentech-Pflanzen auf den Acker“, berichtet Stefan Engel von Bündis 90/Die Grünen in Bebra.
Eine erste öffentliche Informationsveranstaltung fand erst gestern im Rathaus von Bebra statt. Geladen hatte Monsanto.
Zusammen mit Iba erhielten 19 weitere Ortschaften in der gesamten Republik die Nachricht, daß Monsanto in ihrer Gemarkung Freisetzungen durchführen dürfe. „Wir handeln nach Recht und Gesetz“, verteidigt RKI-Sprecher Edgar Muschketat seine Behörde. Er verweist auf einen bereits 1993 von der EU-Kommission verabschiedeten Zusatz zu der europäischen Freisetzungsrichtlinie. Danach besteht die Möglichkeit, auf Antrag für eine bestimmte genmanipulierte Pflanze ein Nachmeldeverfahren einzuführen. Ist einem Antrag erst einmal stattgegeben, können beliebig viele Standorte nachgemeldet werden. Innerhalb von 15 Tagen entscheidet das RKI.
Zweimal schon mußte sich das Verwaltungsgericht in Berlin mit den vereinfachten Verfahren beschäftigen. „In beiden Fällen haben wir recht bekommen“, meint der RKI-Sprecher. Die Entscheidung fiel, obwohl es im Gentechnikgesetz heißt, daß das vereinfachte Verfahren nur zusammen mit einer Rechstverordnung und der Zustimmung des Bundesrates eingeführt werden darf. Diese Verordnung fehlt bis heute.
Der Münchener Anwalt Johann Christoph Werner, der für die schwäbische Gemeinde Blaustein, den Kreis Ost-Holstein sowie zwei Privatpersonen vor Gericht klagte, hat gegen die Urteile Beschwerde eingelegt. Er hat sich schon darauf eingestellt, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen, um das vereinfachte Genehmigungsverfahren zu Fall zu bringen. Für die jetzt anstehenden Versuche wird das auf jeden Fall zu spät sein.
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