Erst der Kniff brachte die Lösung

Einigung im Vermittlungsausschuß hatte nichts mit Inhalten zu tun, gibt der Abgeordnete Blens zu. CDU gab beim Postgesetz nach, die SPD bei den 610-Mark-Jobs  ■ Aus Bonn Markus Franz

Der stellvertretende CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Repnik zog eine Augenbraue hoch, schaute leicht irritiert und schmunzelte verkrampft. Gerade eben hatte sein Parteifreund Heribert Blens auf der gemeinsamen Pressekonferenz in unverhohlener Offenheit gesagt, daß die Einigung im Vermittlungsausschuß „nichts mit Inhalten“ zu tun habe und dabei die Union nicht ausgenommen.

Das Ergebnis im Vermittlungsausschuß war auf ungewöhnliche Weise zustande gekommen, wie Blens berichtete. Nach zweistündigen Verhandlungen über die Rentenbeiträge war immer noch keine Einigung in Sicht. Beide Seiten hatten bereits in jeweils einem Punkt Entgegenkommen gezeigt. Die Union verzichtete darauf, die Rentenstrukturreform auf 1998 vorzuziehen. Im Gegenzug erklärte sich die SPD zu einer einprozentigen Mehrwertsteuererhöhung bereit. Blieb die Bedingung der SPD, den Kompromiß nur dann mitzutragen, wenn zugleich die 610-Mark-Jobs eingeschränkt werden. Das Problem: Die CDU hatte nichts im Tausch anzubieten.

Nur durch einen Kniff, erzählte Blens, habe das Scheitern der Verhandlungen vermieden werden können. Das Postgesetz wurde mit zur Verhandlungsmasse geholt. Die CDU habe beim Postgesetz nachgegeben, die SPD im Gegenzug bei den 610-Mark-Jobs. So einfach ist das.

Dabei wollte selbst die Mehrheit der CDU die sozialversicherungsfreien Arbeitsverhältnisse einschränken. „Auch bei uns“, sagte Blens, „waren viele Leute dafür“, aber den Sozialdemokraten gehe es schließlich „auch nicht um Inhalte, sondern darum, die Koalition auseinanderzubringen“.

Es war offenbar der Tag der Wahrheit bei der CDU. Repnik ließ sich wenig später ebenfalls nicht lumpen und gab freimütig einen Vorgang zu, der zeigt, daß es in der Politik nicht darauf ankommt, zu seiner eigenen Meinung zu stehen. Noch vor Beginn des Vermittlungsausschusses hatte Repnik der SPD ein Kompromißangebot zur Reduzierung der 610-Mark-Jobs unterbreitet. Danach sollten nur die Nebenjobs sozialversicherungspflichtig werden. Davon wären 1,4 Millionen Beschäftigte betroffen. Als die SPD im Vermittlungsausschuß aber genau diesen Vorschlag zur Abstimmung stellte, enthielt sich Repnik der Stimme. „Ich konnte ja schlecht gegen meinen eigenen Vorschlag stimmen“, erklärte er.

Das holte er dann wenige Stunden später nach. Im Bundestag stimmte er mit der Kanzlermehrheit gegen die Reduzierung der 610-Mark-Jobs. Aber, so rechtfertigte er sich, damit sei das letzte Wort über die sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse nicht gesprochen. „Ich habe mit der FDP abgestimmt, daß es noch Regelungsbedürfnis gibt.“ Erst wolle die Regierung noch ein Gutachten des Kölner Instituts über die 610-Mark-Jobs abwarten, bevor es sich endgültig entscheide.

Die SPD feiert unterdessen, daß sie wenigstens im Postgesetz die Einschränkung von 610-Mark- Jobs durchgesetzt habe. Im Gesetzestext sei bestimmt, daß die Lizenzunternehmen der Post nicht wesentlich mehr 610-Mark-Jobs anbieten dürften als die Post. Dies, so erklärte ihr Postexperte Hans Martin Bury, ergebe sich aus der Formulierung, daß „die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschritten“ werden dürften. Doch wieder einmal störte die ehrliche CDU eine schöne Illusion. Es handele sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sagte Heribert Blens. „Wie der angewendet wird, hängt von der Bundestagswahl ab.“