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Spannende Debatte um trockenes Buch

■ Diskussion über „Schicksalsjahre“ der Humboldt-Uni nach der Wende: Ex-Präsidentin Dürkop beklagt historische Ungerechtigkeit der Übernahme des westdeutschen Uni-Systems

Es war ein gutes Zeichen, daß nur wenige Zuhörer kamen. Der Juraprofessor Thomas Raiser hat, noch von der früheren Uni-Präsidentin Marlis Dürkop beauftragt, ein Buch über die „Schicksalsjahre“ der Humboldt-Universität (HU) zwischen 1989 und 1994 geschrieben. Doch jene Zeit liegt nicht allein den meisten Studenten, sondern auch den meisten Dozenten so fern, daß nur wenige von ihnen am Mittwoch abend den Weg zur Buchpräsentation im HU-Senatssaal fanden. Doch daß die Hochschule inzwischen zu einer solchen Alltagsroutine gefunden hat, ist letztlich nur ein Beleg für den Erfolg der „strukturellen und personellen Neuordnung“.

Das mögen „die Leute, die die Universität rausgeschmissen hat“, anders sehen, gab der Mathematiker Bernd Bank zu bedenken, damals Vorsitzender der zentralen Personal- und Strukturkommission und dann Vizepräsident. Doch sie meldeten sich nicht zu Wort. „Hätten ja was sagen können“, hielt Bank ihnen entgegen, „sind ja alle hier.“

Nicht zuletzt wegen des mangelnden Erneuerungswillens jener Althumboldtianer, darin waren sich die Diskutanten einig, mußte der Versuch der Selbsterneuerung unter dem Rektor Heinrich Fink wohl scheitern. Statt dessen kamen 32 Struktur- und Berufungskommissionen mit westdeutschen Vorsitzenden – einer von ihnen war der Frankfurter Jurist Hans Meyer, der 1996 als Präsident an die HU zurückkehrte. Der Mediziner Ludwig Grauel, selbst aus dem Osten, sah darin rückblickend eine „kluge Entscheidung“, denn die „einflußreichen Hochschullehrer“ aus dem Westen hätten die HU vor Abwicklungsgelüsten „geschützt“.

Die Präsidentin hingegen, glaubt Bank, habe der Politik gegenüber nicht genügend Selbstbewußtsein gezeigt und sei daher „nicht unschuldig an den Kürzungen“. Nach seiner Ansicht hätte sie die „geschlossene Phalanx“ der Humboldtianer in Stellung bringen und darauf pochen sollen, daß die HU „als einzige Universität auf der Welt“ vollständig evaluiert und neu aufgebaut sei.

Dürkop selbst sah es hingegen als größte „historische Ungerechtigkeit“ an, daß die HU zuerst zur vollständigen Übernahme des reformbedürftigen westdeutschen Uni-Systems gezwungen worden sei und jetzt „den ganzen westlichen Reformprozeß noch einmal durchlaufen“ müsse. Die politischen Vorgaben hätten keine andere Wahl gelassen.

Von der Stimmung jener Jahre zwischen Aufbruch und Abbruch, von jenen endlosen Sitzungen, die über persönliche Schicksale entschieden, vermittelt Raisers Buch jedoch recht wenig. Dem Juristen ging es eher um den rechtlichen Rahmen und die statistischen Ergebnisse. Doch die „Verschwörungstheorien“, die er im Auftrag Dürkops widerlegen sollte, sind ohnehin passé.

Thomas Raiser: „Schicksalsjahre einer Universität. Die strukturelle und personelle Neuordnung der Humboldt-Universität zu Berlin 1989–1994“. Berlin Verlag/Nomos Verlagsgesellschaft, Berlin/Baden- Baden 1998, 48 Mark.

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