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Betrug und Angst auf dem grauen Kapitalmarkt

■ 50 Milliarden Mark verlieren Anleger in Deutschland jährlich an illegal arbeitende Anlagefirmen. Die Verbraucherverbände fordern daher endlich ein Verbraucherschutzgesetz

Bonn (taz) – Kleinanleger und Versicherte müssen nach Ansicht der Verbraucherverbände vor Finanzhaien besser geschützt werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) warf auf ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag der Bundesregierung vor, die rechtliche Situation von Anlegern weiter verschlechtert zu haben.

Im vergangenen Jahr verloren die Bundesbürger 50 Milliarden Mark auf dem grauen Kapitalmarkt, fünfmal soviel wie noch 1990, teilte die AgV mit. Auf diesem Kapitalmarkt tummeln sich Anbieter von oft unseriösen Geldanlagemöglichkeiten.

Die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft, Anne-Lore Köhne, sagte: „Bei den Kleinanlegern führt nicht Leichtsinn zu Fehlinvestitionen, sondern Unwissen.“ 7.000 Firmen bewerben sich zur Zeit beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, um als Anlageberatung zugelassen zu werden. Auf ihre Genehmigungen warten sie Monate und teilweise Jahre. Sie bieten in dieser Zeit aber bereits ihre Dienstleistungen an – oft unzulässig mit dem Zusatz einer angeblichen Beaufsichtigung oder dem Titel „Wertpapier-Handelsbank“. Die Verbraucherverbände schätzen, daß höchstens die Hälfte dieser 7.000 Firmen überhaupt zugelassen wird. Viele Anbieter arbeiten bereits illegal – ohne die Genehmigung jemals zu beantragen.

„Die Firmen nutzen die Verunsicherung durch die Rentendiskussion und die weit verbreiteten Ängste vor dem Euro, um ihre Geschäfte an die Sparer zu bringen“, sagte Köhne.

Die Verbraucherverbände reagieren mit neuen Informationsangeboten: In den 240 Beratungsstellen und in vielen öffentlichen Bibliotheken liegen Ordner zu den Themen „Geldanlage“ und „Dubiose Finanzgeschäfte“ aus. Aktuelle Informationen, beispielsweise über abgemahnte Firmen, können Interessierte auf der Internetseite der AgV nachlesen (http:// www.agv.de). Bei einigen Ungereimtheiten sollten Anleger grundsätzlich aufmerksam werden: Wenn Renditen von über 8 Prozent garantiert oder Anlagemöglichkeiten über Telefon angeboten werden, schriftliche Unterlagen mit der Adresse der Firma fehlen oder ein Verkaufsgespräch unter Zeitdruck geführt wird.

Die AgV fordert von der Bundesregierung ein Verbraucherschutzgesetz. Der Verbraucherschutz müsse dringend an einer zentralen Stelle zusammengefaßt werden und nicht wie bisher in die Zuständigkeit von fünf Bundesministerien fallen. Außerdem soll ein solches Gesetz die Informationsrechte der Konsumenten verbessern, das Gesetzeswirrwarr bei Kaufverträgen abschaffen und unlautere Gewinne aus betrügerischen Geschäften grundsätzlich beschlagnahmen lassen. Bisher ist letzteres erst nach Einzelklagen aller Geschädigten möglich.

Die finanzielle Situation der Verbraucherverbände habe sich im vergangenen Jahr weiter verschlechtert, kritisierte Köhne. „Die Bundesregierung kann nicht erwarten, daß wir die Bürger über Gentechnik und Euro aufklären, wenn sie weiter unsere finanziellen Grundlagen zusammenstreicht.“ 1997 mußten die Ausgaben für Projekte in der Energie- und Gesundheitsberatung um fast die Hälfte auf 5,4 Millionen Mark gekürzt werden. Insgesamt gab es vom Bund rund 11,8 Millionen Mark, das sind 5 Millionen Mark weniger als noch 1996. Cornelia Fuchs

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