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Vergessene Trümmerfrauen

Der Gedenktag für die Aufbauhelferinnen der Nachkriegsgeneration fiel gestern nicht nur klimatisch ins Wasser  ■ Von Susanne Sitzler

Sie gehören zur Geschichte Berlins wie das Brandenburger Tor oder das Luftbrückendenkmal am Flughafen Tempelhof. In jedem Souveniershop findet man sie auf Schwarzweißpostkarten zu einer Mark, doch am gestrigen Gedenktag nahm von ihnen kaum jemand Notiz: von den Trümmerfrauen.

Gerade mal ein paar ein paar Frauen vom Senioren-Schutzbund Graue Panther waren bei trübem Regenwetter in der Neuköllner Hasenheide erschienen, um am Trümmerfrauengedenktag am Denkmal zu Ehren dieser Aufbauhelferinnen der Nachkriegsgeneration einen Kranz niederzulegen. Seit elf Jahren gibt es diesen Trümmerfrauengedenktag. Ein trauriger Anlaß war es, der die damalige Vorsitzende der Grauen Panther Trude Unruh dazu gebracht hat, diesen Tag ins Leben zu rufen: Eine ehemalige Trümmerfrau, Ruth-Silvia Niendorf, hatte sich ein Jahr zuvor in ihrer Mietwohnung erhängt – weil sie eine Mieterhöhung von 76 Mark mit ihrer schmalen Rente nicht mehr bezahlen konnte. „Eine Woche vorher wurde sie als eine von fünf Trümmerfrauen Ronald Reagan vorgestellt und durfte ihm die Hand schütteln“, berichtet Dieter Peuker, der heutige Vorsitzende der Grauen Panther.

Ins Bewußtsein ist das Schicksal der Trümmerfrauen nicht gedrungen. In der Senatsverwaltung für Frauen bei Senatorin Christine Bergmann hatte man den Trümmerfrauengedenktag gestern vergessen: „Ach so, das ist heute, ach ja, die armen Frauen“ war dort lediglich zu erfahren. Eine bittere Erfahrung für die Frauen – ein paar junge, ein paar alte – die gestern in die Hasenheide gekommen waren. „Ihr wißt doch gar nicht mehr, wie das alles war“, sagt eine der Seniorinnen. Peter Weinheller vom Seniorenschutzbund ergänzte: „Unsere Nachkriegsgeschichte fängt doch erst mit Adenauer an.“ Was die Trümmerfrauen für die Stadt geleistet hätten, werde gelobt, aber die jetzt noch Lebenden würden von der Öffentlichkeit ignoriert.

Anke Kawaschinski, zweite Vorsitzende der Grauen Panther, ist schon zufrieden, daß der Bezirk Neukölln das Trümmerfrauendenkmal, das seit einem Jahr mit Grafitti besprüht war, rechtzeitig säubern ließ. „Ich habe angerufen und gesagt, andernfalls müßte ich das als Geringschätzung der Trümmerfrauen deuten.“ Die Grauen Panther wollen bei solch symbolischen Wertschätzungen allerdings nicht stehenbleiben. „Wir fordern eine Mindestrente à la Beamtenstatus von 2.250 Mark“, forderte Dieter Peuker gestern, „diese Frauen haben das Land aufgebaut, im Alter läßt man sie verhungern.“

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