: CSU: Stammtisch, wir kommen!
Starke Töne statt stiller Einkehr im bayerischen Kloster Banz: Die Bonner CSU-Landesgruppe redet sich Mut an für eine Wahl, die sie wohl schon verloren gegeben hat ■ Von Stefan Kuzmany
Berlin (taz) – Jetzt beteuern sie wieder: Einigkeit, Geschlossenheit, Zuversicht, weiter so, Bayern, und weiter so, Deutschland! Kloster Banz, traditioneller Austragungsort der Selbstdarstellungssommerspiele der Bonner CSU- Landesgruppe, sollte ein Signal sein: Die Union packt's mal wieder. Doch die demonstrativen Schulterschlußformeln der Union sind unglaubwürdig geworden, sind nur noch Ausdruck der Angst vor dem Machtverlust.
Offenkundige Widersprüche zur großen Schwesterpartei CDU wurden im oberfränkischen Kloster Banz ausgesessen. Hatte sich nicht Helmut Kohl noch vor zwei Tagen sehr deutlich gegen das CSU-Mantra „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ im gemeinsamen Wahlprogramm ausgesprochen? Gibt es nicht bei den Christdemokraten eine starke Lobby für die doppelte Staatsbürgerschaft? Wurde nicht Wolfgang Schäuble, CDU/CSU-Fraktionschef in Bonn, noch vor einigen Wochen aus München bescheinigt, er sei „von allen guten Geistern verlassen“? Das ist alles vergessen. Wolfgang Schäuble ist zu Gast in Kloster Banz gewesen, genauso wie Bundeskanzler Helmut Kohl, und alle verstanden sich prächtig. „Deutschland ist kein Einwanderungsland“, das werde er immer wieder sagen, auf jeder Wahlkampfrede, egal, ob das im Programm stehe oder nicht, brüskierte Michael Glos, Vorsitzender der Bonner CSU-Landesgruppe, seinen Kanzler. Dessenungeachtet lobte Kohl, wie auch Schäuble, demonstrativ die immer wilderen ausländerpolitischen Thesen der Schwesterpartei: Die CDU hätte zwar die eine oder andere Passage anders formuliert, inhaltlich würde seine Partei die CSU-Forderungen jedoch stützen. Mit einem Streich machte sich damit der Bundeskanzler die Forderung zueigen, daß Ausländer in Deutschland deutsch sprechen müssen, daß sie sich nicht in eigenen, sondern in deutschen Vereinen organisieren, möglichst nicht mit anderen Ausländern in derselben Gegend leben und gefälligst verschwinden sollen, wenn sie ihre Kinder nicht richtig im Griff haben. Ausländer müssen deutsch sprechen? Das sei doch „Integration pur“, bemerkte Schäuble – wie sollten die Menschen denn sonst miteinander reden können?
Die Klausurtagung in Kloster Banz hat den desolaten Zustand der Bonner Koalition noch einmal transparent gemacht. Die Union hat ein Rettungsbündnis zugunsten des Regierungspartners FDP bereits abgeschrieben – die Liberalen müssen nach Kohls Worten jetzt „für sich selbst sorgen“. Das ist aber nicht so schlimm, denn, wie Theo Waigel erleichtert feststellte: „Wir sind sehr verschiedene Parteien, Gott sei Dank.“ Zumindest bis zur Bundestagswahl werden sich CDU und CSU wohl nicht mehr beharken – der Koalitionspartner hat recht, gleich was er sagt, denn Inhalte sind nicht mehr wichtig, und Differenzen werden einfach übergangen. Zu Gesetzen werden die Amokforderungen der CSU vor der Wahl ohnehin nicht mehr, das wissen Kohl und Schäuble nur zu genau. So redet jeder, was er will.
An einen Sieg der Koalition in Bonn glaubt selbst die CSU nicht mehr. Für die Christsozialen gilt es nur noch, möglichst viel Wind für den eigenen Landtagswahlkampf zu machen, bevor die Bundestagswahl sie zu einer unbedeutenden Oppositionspartei degradiert. Der bayerische Landtagswahlkampf wird am Stammtisch entschieden – also argumentiert die CSU im Sinne des bierseligen Durchschnittsbayern. Und der freut sich zum Beispiel, wenn sich die CSU aus bigotter Entrüstung über ein Grünen-Plakat („Beckstein würde auch Jesus abschieben“) nicht mehr an Podiumsdiskussionen mit den Alternativen beteiligen will. Was die Grünen betrieben, meint der bayerische CSU-Fraktionsvorsitzende Alois Glück, sei ein „Diffamierungsfeldzug“, der den „Konsens der Demokraten sprengt“. Für den weniger religiös als umweltbewußt angehauchten Wähler möchte die CSU sich plötzlich als Umweltpartei verstanden wissen: Nie wieder, so Ministerpräsident Edmund Stoiber, solle in Bayern ein Atomkraftwerk gebaut werden – ein schönes Wahlkampfversprechen.
Wie TV-Experte Uwe Seeler in der Halbzeit vor dem deutschen WM-Aus gibt man sich dem Zweckoptimismus hin. Ein 0:1 mit zehn Mann noch in ein 2:1 umwandeln?
Gar kein Problem für die CSU. Alle wichtigen Spiele würden in der Endphase oder im Elfmeterschießen entschieden, sagte Waigel in Kloster Banz. Und Glos verläßt sich darauf, daß sich die meisten Wähler sowieso noch nicht entschieden hätten. Die internen Querelen der letzten Wochen, hofft er, würden in der schnellebigen Mediengesellschaft rasch vergessen werden. Soll heißen: Wenn die Bayern erst in der Wahlkabine stehen, mögen sie, bittschön, ungeachtet aller Fehler ihrer Staatspartei dort ihr Kreuz hinsetzen, wo sie es schon immer taten – bei der CSU.
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