: Keine Experimente
■ Norbert Blüm (CDU) stellt den Kombilohn vor, und niemand zeigt sich davon begeistert
Berlin/Bonn (taz/AP) – Bis zur letzten Minute hatte Norbert Blüm (CDU) ein großes Geheimnis um den Kombilohn gemacht. Gestern stellte er das Papier in Bonn vor. Danach sollen Langzeitarbeitslose eine staatliche Subvention erhalten, wenn sie einen niedrigbezahlten Job annehmen. Das Einkommen aus einem versicherungspflichtigen Billigjob soll auf 73 Prozent des letzten Nettoeinkommens vor der Arbeitslosigkeit angehoben werden. Billiglöhner mit mindestens einem Kind sollen 77 Prozent erhalten.
Seit Tagen wird Blüms Modell von den Kritikern zerrissen. Widersacher finden sich auch im Regierungslager. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) lehnte den Kombilohn zunächst generell ab, kann sich nun aber mit einem Versuch anfreunden. In einem ost- und einem westdeutschen Arbeitsamtsbezirk solle erprobt werden, ob sich mittels Kombilohn tatsächlich eine „Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“ schlagen lasse, sagte er. Rexrodt äußerte Bedenken, daß Arbeitgeber, die ohnehin neues Pesonal einstellen wollen, nur noch Kandidaten nehmen könnten, die subventioniert werden. Der Kombilohn berge zudem die Gefahr, die Tarifautonomie auszuhöhlen, und könne zu einer faktischen Verordnung von staatlichen Mindestlöhnen führen.
Ähnlich begründen auch SPD und Gewerkschaften ihre Ablehnung. Walter Riester, möglicher SPD-Arbeitsminister, sagte, der Kombilohn bekämpfe nicht die Ursachen der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft sagte, der Kombilohn führe zu staatlich subventionierter Lohndrückerei. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hingegen bemängelte, daß sich die geplante Lohnaufstockung nicht an der Bedürftigkeit des Empfängers orientiere. Auch entstehe der Eindruck, die 73-Prozent-Grenze stelle eine untere Grenze für zumutbare Arbeit dar.
Derzeit sind etwa 1,5 Millionen Menschen länger als ein Jahr arbeitslos. Neue Jobs für sie vermutet Blüm in den Bereichen Haushalt, Gastronomie, Tankstellen, Parkplätze oder im Pflegebereich. roga
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen