: „Wir arbeiten mit Zuckerbrot und Peitsche“
■ Hanns Schumacher über die Strategie der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina
taz: Die internationale Gemeinschaft macht Druck. Sie wollen die nationalistischen Kräfte schwächen.
Hanns Schumacher: Sicherlich. Wir arbeiten mit Zuckerbrot und Peitsche. Wir haben die Möglichkeit, direkt in die Gremien des Staates einzugreifen. Wir können Dekrete erlassen, wenn die Parlamente nicht dem Geist von Dayton folgen. Wir haben dies im Staatsangehörigkeitsrecht getan, auch bei dem Zollrecht. Weiterhin können wir Personen, die Maßnahmen blockieren, vom Amt entfernen und von Wahlkandidaturen auszuschließen. Wir sind allerdings ohnmächtig dann, wenn Leute, die aus den Ämtern ausgeschlossen werden, weiterhin in Parteifunktionen bleiben und von dieser Machtposition aus in ihrem Sinne weiterwirken. Das wirksamste Instrument ist aber der Entzug von Wirtschafts- und Wiederaufbauhilfen für Gemeinden. Hilfe soll es also nur für die Zusammenarbeit geben. An diesem Instrument müssen wir noch weiter arbeiten. Die internationalen Institutionen ziehen manchmal nicht fest genug an einem Strang. Das Zuckerbrot, das wir anbieten, ist gewichtig. In den letzten drei Jahren sind zusammengenommen drei Milliarden Mark nach Bosnien geflossen.
Wo hakt es denn bei den internationalen Organisationen?
Hier bei OHR arbeiten 20 Nationalitäten, die gleiche Struktur finden wir bei allen wichtigen Organisation wie bei OSZE, bei UNHCR etc. Da können Reibungsverluste nicht ausbleiben. Die Führungsstruktur der internationalen Gemeinschaft in Bosnien- Herzegowina ist sicherlich noch nicht der Schwere der Aufgabe angemessen organisiert. Aber wir haben Fortschritte gemacht. Ein Beispiel: Wir dürfen nicht nur hinter den Kulissen wirken, sondern den Menschen direkt sagen, was ihre Entscheidungen für ihre eigene Zukunft bedeuten. Wenn es zum Beispiel in der Republika Srpska eine Rechtsentwicklung gibt oder wenn Frau Plavšić nach den Wahlen mit den Radikalen paktieren will, sollten wir klar Stellung beziehen und sagen, so eine Koalition ist nicht akzetabel. Wir wollen einen demokratischen Wahlprozeß, wir wollen aber nicht Leute an der Macht, die nationalistische Positionen vertreten und damit den gesamten Prozeß der Umsetzung von Dayton stören. Die Bevölkerung der Republika Srpska muß wissen, daß sie vor einer Alternative steht, ob sie wieder zurück in die Isolierung will oder ob sie mit Dodik zusammen für eine Zusammenarbeit mit den internationalen Institutionen offen ist. Diese Klarheit halte ich für eine demokratische Position. Interview: Erich Rathfelder
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