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KommentarBerliner Wagnis

■ Der ökumenische Kirchentag 2003 sollte Rom ärgern

Manche Dinge dauern eben etwas länger. Es ist ja erst knapp 500 (in Worten: fünfhundert) Jahre her, daß sich die abendländische Christenheit in Katholiken und Protestanten spaltet.

Wie könnte es da sein, daß sich die Christen im Land der Reformation einfach so an einen Tisch setzen dürften, um das zu tun, was ihr gemeinsamer Religionsstifter Jesus von Nazareth ihnen ausdrücklich aufgetragen hat: In Erinnerung an ihren Messias gemeinsam Brot zu essen, Wein zu trinken und beides untereinander zu teilen?

In vier Jahren könnte jedoch im heidnischen Berlin, in dem die Zahl der Getauften immer weiter sinkt, genau das passieren: Der erste ökumenische Kirchentag, veranstaltet von den einfachen Christinnen und Christen beider Glaubensrichtungen, wird hier zusammenkommen. Man wird viel miteinander sprechen, tanzen, lachen und feiern und – Abendmahl feiern? Wird, was an der Schloßkirche von Wittenberg am 31. Oktober 1517 begann, am 1. Juni 2003 im Berliner Olympiastadion oder sonstwo in der Stadt enden?

Die Chancen dafür stehen schlecht. Denn da steht, wie vor fast allem, was in der katholischen Kirche fortschrittlich ist, der Papst davor. Die gemeinsame Abendmahlsfeier darf es Rom zufolge nicht geben, da die protestantischen Kirchen nach Vatikan-Sicht nicht vollständige Kirchen sind – sie erkennen eben den Nachfolger Petri nicht als ihr Oberhaupt an. Dessen geschichtsblinde, arrogante Sicht blockiert alles Wichtige in der Ökumene.

Zu hoffen wäre deshalb, daß sich die Christinnen und Christen in vier Jahren ein Herz nehmen und einfach tun, was ihnen zumindest die katholischen Bischöfe verwehren wollen. Vorbilder für das gemeinsame Abendmahl gibt es: Die katholische „Initiative Kirche von unten“ hat es vergangenes Jahr auf dem Mainzer Katholikentag vorgemacht, die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ plant ähnliches im nächsten Jahr beim Katholikentag in Hamburg. In Berlin sollte die christliche Tafelgemeinschaft 2003 zum Massenphänomen werden – auch ohne Zustimmung der Bischöfe. Denn manchmal gehen die Schafe ihren Hirten einfach voraus.

Philipp Gessler Bericht Seite 18

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