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Attraktion im Hinterhof

Das Bonner „Laubenpieperfest“ wird zum Berliner „Hoffest“. Der Verband der Kleingärtner feiert trotzdem kräftig mit – und freut sich über Zuwachs aus Bonn  ■   Von Ralph Bollmann

Die Tiefkühlpizza wünscht „Bonn Appetito“ und die Ex-Bonner wünschen sich einen Kleingarten in der Großstadt

Wird Berlin doch noch Metropole? Es sieht ganz danach aus: Das Milieu der Kleingärtner jedenfalls ist seit Mittwochabend nicht mehr der Maßstab gesellschaftlichen Lebens. Das „Laubenpieperfest“, bei dem sich die Bonner fast drei Jahrzehnte lang in der Berliner Landesvertretung zu fettigen Buletten, Spanferkel und roter Grütze trafen, gibt es nicht mehr. Das Nachfolge-Event heißt jetzt „Berliner Hoffest“. Denn zu den „vielen Attraktionen“ der Stadt, so der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), zähle auch „der Berliner Hinterhof“.

Buletten gab es auch nicht mehr, stattdessen wünschte die Firma „Alberto“ mit Tiefkühl-Pizza aus eigener Fabrikation „Bonn Appetito“. Damit die Rheinländer auch gleich wissen, wo sie sind, hatte sich die Schultheiss-Brauerei gleich den größten Stand gesichert. Daneben gab es, den Sponsoren sei Dank, auch ordentlichen Wein.

Die meisten Bonner waren hell begeistert, endlich wieder so viele Bekannte aus der alten Heimat auf einem Fleck versammelt zu sehen. Doch die Berliner waren bei weitem in der Überzahl. Während die Senatoren fast vollständig erschienen waren, schoben sich nur einzelne Mitglieder des Bundeskabinetts durch die Menge.

Dabei konnten sie auch die Bekanntschaft eines der einflussreichsten Berliner Lobbyisten machen: Jürgen Hurt, Vorsitzender des Landesverbands der Gartenfreunde, hielt dem einstigen Laubenpieperfest trotz des Namenswechsels die Treue. Schließlich habe sein Verein schon mehr als 300 Neumitglieder aus den Reihen der Bonner Umzügler gewinnen können. „Die ersten Probleme mit Wohnung oder Schule sind gelöst“, freute sich Hurt, „da wächst der Wunsch, einen Kleingarten zu pachten.“

Dennoch scheint es, als seien die Laubenpieper im gesellschaftlichen Leben auf dem Rückzug. Schon der Tod Harry Ristocks 1992 hatte eine schmerzhafte Lücke hinterlassen. Der Sozialdemokrate hatte bei seinem jährlichen Laubenpieperfest stets die Berliner Prominenz um sich versammelt.

Aber keine Sorge, die 83.000 Berliner Kleingärtnerfamilien lassen sich nicht unterkriegen. Schon im Juni hatten sie, gemeinsam mit den 50.000 Gartenfreunden aus dem Umland, in Potsdam ihr eigenes Fest gefeiert. Im nächsten Jahr soll es besonders groß ausfallen, schließlich begehen die Laubenpieper dann „das 100-jährige Bestehen der organisierten Kleingärtnerei“. Verbandschef Hurt rechnet damit, dass sich vor dem Charlottenburger Schloss mehrere hunderttausend Besucher einfinden – und zwar im September, also in zeitlicher Nähe zum Hoffest, zwar nicht als Konkurrenz, doch als „Alternative“. Einziger Unterschied: Bei den echten Laupenpiepern kann man auch ohne Einladung kommen.

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