Nofretete zwinkert für die starken Frauen

■ Grüne präsentieren zum Wahlkampfauftakt ihr Familienalbum als Multimediashow. Basis lässt sich weder von schlechten Prognosen für Rot-Grün noch von der Bundespolitik die Laune verderben

Multimedial präsentierten sich die Grünen am Mittwochabend bei ihrem Wahlkampfauftakt in der Kalkscheune in Mitte. Auf drei Großleinwänden wurden Szenen aus dem grünen Familienalbum präsentiert: das historische Foto von der Mitgliedervollversammlung, die 1989 einer rot-grünen Koalition zustimmte. Eine Demonstration, auf der Grüne schon vor Jahren ein Transparent mit dem Slogan „Große Kopulation, ne danke“ hochhielten. Die Fotos sind mit Kommentaren grüner Kandidaten unterlegt: „Berlin hat eine andere Regierung verdient“, ist die Stimme des Abgeordnetenhauskandidaten Özcan Mutlu zu vernehmen. Nofretete zwinkert von ihrem Wahlplakat, das mit dem Slogan „Starke Frauen für Berlin“ wirbt.

Drei starke Frauen stehen auch an diesem Abend im Mittelpunkt: die Grünen feiern Michaele Schreyer, die designierte EU-Kommissarin, die strahlend ans Mikrofon tritt. Wenn das Europa-Parlament am nächsten Donnerstag die neue Kommission wählt, wird sie als erste grüne EU-Kommissarin in die Geschichte eingehen. Mit hörbar strapazierter Stimme erinnert sie an den Erfolg der Grünen bei der Europawahl, die im EU-Parlament viertstärkste Fraktion sind. „Mehr Grün für Berlin“, forderte sie unter Beifall.

Einen begeisterten Empfang bereiteten die etwa 250 Grünen-Anhänger auch Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer und der grünen Spitzenkandidatin Renate Künast.

Und doch dämpfte Andrea Fischers Rede ein wenig die Stimmung. Unvermeidlich kam sie in ihrer Rede auf das Sparpaket der rot-grünen Bundesregierung zu sprechen: „Ein gewaltiger Brocken“, „schmerzhafte Kürzungen“. „Wenn wir das jetzt nicht machen, ist der Staat in ein paar Jahren nicht mehr handlungsfähig“, sagt Fischer unter Beifall.

Doch von „enttäuschten Hoffnungen“, die auf das Konto der Bundesregierung gehen, will an diesem Abend niemand etwas hören. Die Stimmung an der grünen Basis ist gut. Von Frustration darüber, dass Rot-Grün kaum noch Chancen hat, ist nichts zu spüren.

Die grüne Bundesprominenz ist an diesem Abend nur spärlich vertreten. Allein Marieluise Beck, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, verfolgt die Multimediashow, die jetzt Bilder von Renate Künast auf Rollerblades einblendet und ein Bild, auf dem sie die Augen weit aufreißt. „Wer hat das eingeschmuggelt?“, ruft Künast in gespielter Empörung. Dann attackiert sie die Große Koalition, die ausländerfeindliche CDU-Politik, den Reinfall bei der Flughafenprivatisierung. In Anspielung auf die Vernichtung eines wichtigen Aktenvermerks durch den Verfassungsschutzchef sagt sie: „Wir brauchen keinen Reißwolf-Senat! Die Politik des Senats gehört in den Reißwolf.“ Und selbst bei den wegen der niedrigen SPD-Umfragewerte schlechten Aussichten für Rot-Grün bleibt Künast an diesem Abend optimistisch: „Wir können rechnen. Aber die Entscheidung fällt erst 10. Oktober.“ Dorothee Winden