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Der Marsch zur Staatsknete ist viel zu lang

■  Bund und Länder haben Dutzende von Förderprogrammen für Existenzgründungen aufgelegt. Aber die wenigen deutschen Firmen, die heute mit E-Commerce im Internet erfolgreich sind, haben sich darum nicht gekümmert

Seine Kunden sind verunsichert. Genau das aber freut Jens Greve. Er betreibt eine Strombörse in Internet. „Nach der Liberalisierung des Strommarktes war klar, dass die Leute nicht mehr rechts und links wissen. Da kam uns die Idee, eine Plattform zu entwickeln, die die Entscheidung im Tarifwirrwarr der Stromanbieter erleichtern sollte“, sagt der Jungunternehmer. Er kratzte mit seinen Partnern 200.000 Mark zusammen und ging mit diesem Startkapital Anfang November unter www.stromfreiheit.de online.

„Das Internet bietet im Gegensatz zu anderen Märkten einfach noch Chancen, gute Nischenplätze zu finden“, schwärmt auch Volker Wallrafen von der Multimedia-Agentur kröger&wallrafen in Münster. Seit zwei Jahren organisiert er mit seiner Partnerin Ute Kröger Webauftritte für Unternehmen, von der Programmierung bis zur inhaltlichen Beratung. Gerade mal drei Computer und 25.000 Mark privates Startkapital standen am Anfang dieser Firma.

Dem E-Commerce gehöre die Zukunft, meinen die neuen Gurus der neuen Märkte, und auch seriöse Wirtschaftsforscher stimmen ihnen in der Regel zu. Nur lässt sie in Deutschland noch arg auf sich warten, die Zukunft. Unternehmer wie Jens Greve oder Volker Wallrafen sind immer noch eine kleine, avantgardistische Minderheit. Daran haben bislang auch Dutzende von Förderprogrammen der Länder und des Bundes nichts geändert. Vollmundig hatte die rot-grüne Bundesregierung Ende Oktober einen „Aktionsplan“ für das 21. Jahrhundert beschlossen und verkündet. Mit einem umfassenden Rahmenprogramm sollen unter anderem „innovative Existenzgründungen“ und eine für neue Informations- und Kommunikationstechniken „offene Kultur“ gefördert werden. Für das nächste Jahr ist ein „Gründerwettbewerb Multimedia“ und ein Ausbau der „Unternehmensgründungen von Frauen“ geplant. Vier Millionen Mark Steuergeld dürfen beide Projekte kosten.

Andere Angebote für Existenzgründer liegen in den zuständigen Amtsstuben schon jetzt bereit. Sie sollen helfen, Kapital und Kompetenz zu beschaffen. Aber wer sich tatsächlich an die Umsetzung seiner Geschäftsidee wagt, steht vor einem wahren Dschungel an Adressen und Vorschriften. Einen gewissen Überblick über staatliche, halbstaatliche und private Hilfen gibt die „Online-Akademie für Existenzgründer und Jungunternehmer“, die in Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium entstanden ist. Un- ter www.focus.de/existenzgruendung bietet sie eine Linksammlung zu wichtigen Fragen der Existenzgründung an. Nützliche Informationen können außerdem bei insgesamt 24 so genannten „Kompentenz-Zentren für elektronischen Geschäftsverkehr“ abgerufen werden. Die Liste ist unter www.ec-net.de einzusehen. Auch ein Blick in die „Förderdatenbank“ des Bundeswirtschaftsministeriums kann sich lohnen. Unter www.bmwi.de sind einige Links zu Angeboten aus den Bundesländern versammelt, beispielsweise zur Bayerische Beteiligungsgesellschaft (BayBG), die sich an „innovationsorientierten“ Existenzgründungen mit Summen zwischen 100.000 und 2 Millionen Mark als stille Gesellschafterin beteiligt. Wer mit weniger Geld auskommt, sollte sich eher an die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) wenden, die maximal 50.000 Euro als Darlehen aus der Bundeskasse zur Verfügung stellt. Das sogar dann, wenn die neue Firma zunächst als Nebenerwerb geführt werden soll.

Nur: Die wenigsten Internetunternehmer haben solche Programme in Anspruch genommen. „Die Förderung ist sehr aufwendig und bürokratisch. Jeder Pfennig muss begründet werden. Das dauert oft zu lange“, kritisiert der Strommakler Greve. Der Webdesigner Wallrafen dagegen hatte ein ganz anderes Problem: „Die Kredite waren viel zu hoch angesetzt. So viel Geld brauchten wir gar nicht.“ Was das Arbeitsamt ihm und seiner Partnerin an Überbrückungsgeld überwies, reichte für diese Existenzgründung völlig aus.

Wenn sich der Weg über staatliche Förderung als ungangbar erweist, bleibt den Unternehmensgründern nur übrig, Risikokapital einzuwerben. Auch das kostet viel Zeit und verlangt zudem die Verhandlungskompetenz von Profis. Mitunter ist die Mehrheit am eigenen Unternehmen schon weg, bevor es überhaupt gegründet worden ist. „Man muss genau aufpassen, wohin man sich mit seiner Idee traut, sonst ist jemand schneller“, warnt Erhard Neumann, Geschäftsführer eines virtuellen Autohauses, das er mit einigen Millionen Mark Risikokapital von etablierten Unternehmen ausgebaut hat. Sie haben zwar an den Erfolg seiner Idee geglaubt, aber nun wollen sie davon auch kräftig profitieren.

Unterstützung bei der Suche nach mehr oder weniger freundlichen Geldgebern finden Existenzgründer unter anderem beim „Business Angels Netzwerk Deutschland“ (BAND). „Business Angels“ nennen sich Privatpersonen, die jungen Unternehmen Kapital und Know-how zur Verfügung stellen, die also zugleich als Investor und Mentor auftreten. Unter www.business-angels.de können sich angehende Unternehmer in eine Online-Kartei eintragen, Grundzüge ihrer Geschäftsidee vorstellen und Anforderungen definieren, die ein Investitionspartner erfüllen sollte. Hilfreich sind auch die dort zu findenden Anlaufadressen von Leuten, die noch eine Gelegenheit suchen, ihr Geld und Wissen anzulegen.

Wenn die Wirtschaftsforscher Recht haben, müssten sich die neuen Internetunternehmer ihre Geldgeber aussuchen können. In Deutschland ist das Gegenteil der Fall. Denn noch scheint den Anlegern hierzulande die Frage nicht hinreichend beantwortet, wie denn nicht nur mit spekulativen Internet-Aktien, sondern auch mit kostenlos absurfbaren Websites echtes Geld zu verdienen sei.

Ute Mattigkeit

u.mattigkeit@gmx.de

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