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Streitereien in der WTO-Endrunde

■ Noch ist keine Einigung in Sicht, aber erste Kompromisse. Proteste gehen trotz Verbot weiter. Das bisherige Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten wird heftig kritisiert

„Sollte dies das Endergebnis sein, würden wir natürlich nicht zustimmen“

Berlin (taz/AFP/dpa/rtr) – In Seattle gingen gestern die Verhandlungen über weitere Liberalisierungen in die entscheidende Schlussphase. Bisher ist es nicht sicher, ob sich die Regierungsvertreter auf der Tagung der WTO auf eine neue Welthandelsrunde einigen werden, allerdings gab es in zentralen Punkten erste Annäherungen. So soll sich die EU zu einem schrittweisen Abbau ihrer Agrarsubventionen bereit erklärt haben. Die WTO-Tagung wurde weiterhin von friedlichen Protesten begleitet, in denen die Demonstranten vor allem die Freilassung der rund 450 Festgenommenen forderten.

Während sich EU-Verhandlungsführer Pascal Lamy eher skeptisch über einen erfolgreichen Ausgang der Tagung äußerte, betonte die US-Handelsbeauftragte und Konferenzvorsitzende Charlene Barshefsky, die Verhandlungen brächten gute Ergebnisse. Gegen die Bereitschaft der EU, ihre Agrarsubventionen herunterzufahren – die USA fordern einen völligen Abbau – hat Frankreich Protest eingelegt. „Sollte dies das Endergebnis sein, würden wir natürlich nicht zustimmen“, sagte der französische Handelsminister François Huwart. Vereinbarungen der WTO müssen einstimmig geschlossen werden.

Wie vorauszusehen, wurde die US-amerikanische Forderung der Verknüpfung von Sozialstandards mit Handel zu einem heftigen Streitpunkt zwischen den USA, den EU und den Entwicklungsländern. Nach dem bisherigen Vorschlag soll das Thema Sozialstandards außerhalb eines Verhandlungspaketes der WTO in einer Arbeitsgruppe besprochen werden. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) lehnt eine Behandlung des Themas außerhalb der WTO ab. Die Entwicklungsländer lehnen eine Einführung von Sozialstandards grundsätzlich ab, da sie befürchten, dass die Industrieländer mit diesem Argument ihre Märkte abschotten. Um seine Forderung zu unterstreichen, unterzeichnete US-Präsident Bill Clinton am Rande der Tagung eine Konvention gegen Kinderarbeit, die von der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) im Juni dieses Jahres aufgestellt wurde. Sie verbietet unter anderem gefährliche Kinderarbeit. US-Präsident Clinton hatte außerdem angedroht, Arbeitnehmerrechte im Notfall auch mit Sanktionen durchzusetzen.

Die Mitglieder der Organisation Afrikanischer Einheiten (OAU) drohten mit einem Boykott einer neuen Verhandlungsrunde, wenn nicht vorher erst einmal die bestehenden Probleme gelöst werden. Auch einige asiatische Länder haben noch einmal betont, dass sie gegen eine neue Handelsrunde sind.

Wegen ihres Umgangs mit den Protesten sind die Behörden in Seattle angegriffen worden. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union erstattete Anzeige gegen das Demonstrationsverbot, da damit gegen das Grundrecht auf Rede- und Versammlungsfreiheit verstoßen worden sei. Darüber hinaus gerät das offensichtlich brutale Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten immer mehr unter Kritik. So sollen nicht nur Demonstranten brutal verprügelt worden sein, auch Journalisten wurden trotz ihrer Ausweise mit Pfefferspray attackiert und verprügelt. Im Stadtteilrat von Capitol Hill wurde der Rücktritt von Polizeichef Norm Stamper gefordert. In Seattle wurde erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Ausgangsverbot in großen Teilen der Innenstadt verhängt. mra

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