: Kohl ist ein Wiederholungstäter
■ Der Parteienforscher Ulrich von Alemann glaubt, der Ex-Kanzler hat aus der Flick-Affäre nicht gelernt. Mit schwarzen Kassen konnte der CDU-Vorsitzende in der Partei Politik machen. Durch verdeckte Finanzströme lassen sich Günstlinge fördern
Korruptionsforschung ist eine Spezialität des Politologen an der Uni Düsseldorf. Der 55-Jährige hat im internationalen Handbuch „Political Corruption“ den deutschen Leitbeitrag verfasst.
taz: Helmut Kohl hat zugegeben, als Parteivorsitzender der CDU inoffizielle Konten für seine politische Arbeit benutzt zu haben. Was bedeutet das?
Ulrich von Alemann: Dass Kohl als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich rechtswidrig gehandelt hat. Er wusste als Parteivorsitzender spätestens seit der Flick-Parteispenden-Affäre, dass die Parteien laut Grundgesetz über ihre Mittel öffentlich Rechenschaft ablegen müssen. Das gilt übrigens, nicht ganz zufällig, schon seit 1949. Es wurde damals in die Verfassung wegen der verdeckten Spenden der Großindustrie aufgenommen, die immerhin die Machtübernahme Hitlers in der Weimarer Republik begünstigten. Es verblüfft mich, dass Kohl denkt, er könne das jetzt eingestehen, als handelte es sich um irgendeine Lappalie.
Ist Kohl Wiederholungstäter?
Das muss man so formulieren. Er war in die Flick-Affäre verwickelt, die ein Tiefpunkt der politischen Kultur hierzulande war.
Was war Helmut Kohls Rolle in der Flick-Affäre?
Er hat ganz offensichtlich Geldzuwendungen erhalten. Die waren in den Unterlagen des zuständigen Flick-Managers Brauchitsch dokumentiert. Kohl hat im Untersuchungsausschuss einen Blackout bekundet – er konnte sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern.
Die Flick-Affäre war ein Tiefpunkt der Politik, aber sie war zugleich ein Höhepunkt – in ihrer öffentlichen Aufarbeitung.
Was hat sich seit der Flick-Affäre verändert?
Im Prinzip heißt es heute, dass Parteien aus öffentlichen Mitteln nicht nur eine Wahlkampfentschädigung erhalten, sondern auch eine Grundfinanzierung. Damit wurde nur ein bestehender Tatbestand legitimiert. Die Grundfinanzierung wurde in der Höhe auf den durchschnittlichen Betrag der Jahre 1989–1992 begrenzt – plus einem Inflationsausgleich. Parteien müssen zudem mindestens zur Hälfte mit eigenen Mitteln wirtschaften, die sie aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden erhalten.
Gerade die Spenden sind aber doch jetzt das Problem?
Die Lehre daraus war, dass Privatspenden noch deutlicher transparent gemacht werden müssen. Alles, was über 20.000 Mark liegt, muss öffentlich bekannt gemacht werden – in einem Bericht an den Bundestag. Das bedeutet aber, dass auch eine Splittung der Spenden, wie sie ebenfalls bekannt geworden ist, nicht mit dem Geist des Gesetzes vereinbar ist. Ein Konzern darf seine Großspende nicht in Kleinspenden von unter 20.000 Mark seiner Tochterunternehmen zerstückeln.
Helmut Kohl gibt zu, „zur vertraulichen Behandlung bestimmter Sachverhalte“ Sonderzuwendungen an Parteigliederungen geleistet zu haben. Heißt das, er hat einfach weitergemacht – trotz des Einschnitts nach Flick?
Offensichtlich ist diese Zäsur in der CDU nicht erfolgt. Kohl hat intern mit Spenden Politik gemacht, indem bestimmte Teile der Partei verdeckte Zuwendungen von ihm bekommen haben. Das ist in höchstem Maße brisant für eine demokratische Partei.
Warum?
Eine solche Willensbildung verletzt das Gebot der innerparteilichen Demokratie. Es muss Offenheit herrschen. Einzelne Parteigliederungen dürfen nicht bevorzugt werden. Sonst entsteht eine zweite verdeckte Schiene politischer Kommunikation des Vorsitzenden innerhalb der Partei. Der Vorsitzende ist der Gleichheit, etwa gegenüber seinen Landesverbänden, genauso verpflichtet wie ein Minister. Politik einer Partei nach Gutdünken ihres Vorsitzenden ist mit einer demokratischen Organisation unvereinbar.
Kann es der Republik nicht egal sein, wie die CDU intern mit Geldern umgeht?
Nein, das kann es nicht. Denn die innerparteiliche Demokratie ist für die parlamentarische Demokratie ein sehr hohes Gut. Die Parteien haben immerhin das Nominierungsmonopol für politische Ämter. Sie bestimmen, wer Minister wird, wer regiert. Der Bürger kann niemand anderen als die von der Partei nominierten Kandidaten wählen. Deswegen kann es uns nicht gleichgültig sein, wie die Aufstellung dieser Kandidaten in den Parteien vor sich geht.
Welches Stadium an Aufklärung ist mit dem Geständnis Kohls erreicht?
Die Flick-Affäre hat gezeigt, dass nur unter Druck bestimmte Dinge zugestanden werden. Das, was wir bis jetzt wissen, ist nicht das Ende der Fahnenstange.
Interview: Christian Füller
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