: Der ungleiche Kampf
Können wir uns vor Naturkatastrophen schützen? Manche Menschen suchen schon jetzt das sturmfeste Haus
VON NICK REIMER
Kai Pönitz ist gut vorbereitet. Der studierte Landwirt aus dem sächsischen Seifersdorf hat sein Haus so gebaut, dass es den Klimawandel überlebt. „Ich habe vor zehn Jahren zum ersten Mal etwas über die Erderwärmung erfahren“, sagt er. Dann erlebte er das Hochwasser 2002 und erhöhte das Fundament. Dann stürzte durch extremen Schneefall die Eissporthalle in Bad Reichenhall ein, und Pönitz war froh, dass er ein steiles Dach gebaut hatte, im Gebälk verstärkt. Als dann ein starker Frost das Stromnetz im Münsterland lahmlegte, holte Pönitz seine Pläne für die Solaranlage wieder aus der Schublade. Bald soll sie eingebaut werden. Er hat versucht, sich auf alle Extreme einzustellen.
Aber ist das Wetter planbar? Orkan „Kyrill“ wurde seit Tagen vorhergesagt, Fernsehzuschauer konnten am Bildschirm den Weg des Sturms verfolgen. Trotzdem hat der Orkan eine Schneise der Verwüstung durch Europa geschlagen und mindestens 43 Menschen in den Tod gerissen. Bei einem der schwersten Stürme der vergangenen 20 Jahre waren allein in Deutschland 11 Todesopfer zu beklagen, die meisten starben durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste. Es gab hunderte Verletzte. Der Schaden erreicht Milliardenhöhe. Schlimmer noch als Deutschland traf der Sturm die Britischen Inseln. Dort starben mindestens 13 Menschen. In den Niederlanden gab es 6 Todesopfer, in Tschechien und Polen kamen je 4 Menschen ums Leben, Frankreich meldete 3 Sturmtote, Belgien 2.
„Kyrill“ ist nicht der leibhaftige Klimawandel. Nach Einschätzung der Umweltschutzorganisation WWF bietet er aber einen Vorgeschmack auf das Klima der nächsten Jahrzehnte. „Dass wir in Zukunft öfter solche heftigen Stürme wie ‚Kyrill‘ haben werden, ist ziemlich wahrscheinlich“, sagt Jörn Ehlers vom WWF. Trotzdem könne man noch nicht eindeutig von den Folgen des globalen Klimawandels sprechen.
Dennoch habe es im vorigen Jahr in vielen Teilen der Welt eine extreme Wettersituation gegeben. So sei der Dezember 2006 der wärmste seit 50 Jahren in Deutschland gewesen. Würden die gewaltigen Stürme weiter zunehmen, sei das ein Indiz für den Klimawandel. „Es gilt, den Treibhauseffekt zu stoppen und den Temperaturanstieg um maximal 2 Grad zu drosseln“, fordert Ehlers. Dafür müsse die EU den Ausstoß von CO2 bis 2020 um 30 Prozent senken, bisher seien nur 20 Prozent geplant. Dies sei auch ein wichtiges Signal an Schwellenländer wie China und Indien, mehr zum Klimaschutz beizutragen.
Nach Ansicht des Potsdamer Klimaforschers Stefan Rahmstorf muss sich die Bevölkerung in Nordeuropa künftig auf eine Zunahme von Westwetterlagen und damit womöglich auch mehr Orkane als in der Vergangenheit einstellen. Der Orkan „Kyrill“ sei aber kein allzu außergewöhnliches Ereignis, sondern einfach ein starker Wintersturm, sagt der Experte vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er warnt davor, auf Grundlage von Einzelereignissen schnelle Rückschlüsse zu ziehen.
Noch scheint es unmöglich, den Nachfolger von „Kyrill“ vorherzusagen. „Aus den bisher beobachteten Trends kann man noch keinen statistischen Beleg für die Zunahme solcher Winterstürme ableiten“, sagt Rahmstorf. Dies belege aber im Umkehrschluss nicht, dass es keine Zunahme gegeben habe. Er verwies darauf, dass für belastbare Aussagen viele Ereignisse und Daten nötig seien, Starkstürme etwa kämen aber nun einmal vergleichsweise selten vor. Wie genau sich „Kyrill“ letztlich mit früheren Winterstürmen vergleichen lässt, müsse noch untersucht werden.
Ist also wenigstens Herr Pönitz auf den Klimawandel vorbereitet? „Ich habe zwar versucht, mehr Sicherheit einzubauen, als heute in Deutschland Standard ist. Ein Baum aufs Dach fliegen kann mir aber trotzdem.“
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