: Freier Handel führt zu leeren Tellern
Greenpeace-Studie: Ein Abbau der Zölle auf Fisch und Meeresprodukte, wie ihn die Welthandelsorganisation plant, gefährdet nicht nur die Fischbestände in den Weltmeeren, sondern auch die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern
von MIRJAM NEEBE
Dem Profithunger sollen jetzt auch noch die letzten intakten Fischbestände der Welt geopfert werden. Denn die Welthandelsorganisation (WTO) plant, Zölle und andere Handelsbarrieren für Fische und andere Meeresprodukte abzubauen. Das wäre ein Desaster für die weltweiten Fischbestände und die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern. Zu diesem Schluss kommt Greenpeace International in einer Studie, die die Umweltorganisation gestern auf dem Weltsozialgipfel in Nairobi vorstellte.
Das Weltsozialforum versteht sich als Gegengewicht zum Weltwirtschaftsforum, das am Mittwoch in Davos beginnt. Regierungschefs und Wirtschaftsvertreter wollen dort versuchen, die Verhandlungen der Welthandelsrunde neu voranzubringen. Einer der Verhandlungsbereiche ist die weitere Liberalisierung des weltweiten Handels mit Industriegütern, zu denen auch Meeresprodukte gehören.
Die Greenpeace-Studie „Unsere Meere werden weggehandelt“ analysiert topaktuelle Zahlen von Regierungen und internationalen Organisationen. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass eine weitere Liberalisierung der Märkte nicht nur die weltweiten Fischbestände und das Ökosystem Meer gefährdet, sondern auch die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern: Dort würde die Öffnung zu einer weiteren Verarmung führen. Das zeigten die Fallbeispiele Mauretanien, Senegal und Argentinien jetzt schon.
Bislang kontrollieren weltweite Zölle den Fischhandel und den Preis für Fischimporte. Würden sie gesenkt, würden die Preise für Fisch sinken und die Nachfrage steigen. Ein Boom in Fischhandel und Fischfang wäre die Folge. Das würde die weltweiten Fischbestände noch dramatischer als bisher dezimieren, so die Studie.
Ein weltweiter Abbau von Zöllen verspreche wirtschaftlichen Gewinn auch für die Entwicklungsländer, behaupten die Liberalisierungsbefürworter. Schließlich stünden diesen dann ja auch die Märkte in den Industrieländern offen. Diese Sichtweise ist laut der Greenpeace Studie aber sehr kurzsichtig. Denn es sei absehbar, dass der Fischfang wegen der neuen Exportmöglichkeiten verstärkt werde. Das würde auf Dauer die Fischbestände und damit auch die Ernährungssicherheit der Bevölkerung in Ländern gefährden, in denen Fisch für die Ernährung eine zentrale Rolle spielt. „Hinzu kommt, dass oft korrupte Regierungen die Gewinne einkassieren oder eine nachhaltige Fischereiwirtschaft blockieren“, sagte Stefanie Werner von Greenpeace Deutschland der taz.
Auch die Industrieländer würden negative Auswirkungen zu spüren bekommen. Die Konkurrenz billiger Importe würde sie zwingen, ihre eigenen Fischbestände noch stärker zu befischen. Mit dem gleichen Resultat wie in den Entwicklungsländern: völliger Kollaps der Bestände.
Absehbare Folge: Die bereits weltweit sichtbaren negativen ökologischen Auswirkungen nehmen weiter zu. „In Namibia ist das Ökosystem auf Grund der Überfischung bereits gekippt“,so Werner. „Quallen treten dort jetzt in Massen auf und fressen den Fischlaich auf, sodass eine Erholung des Fischbestandes extrem gefährdet ist.“
Greenpeace fordert deshalb statt einer Liberalisierung der Märkte wirksame globale Fischereimanagementsysteme und ein Fangverbot für 40 Prozent der Weltmeere. Bislang sind nur etwa ein Prozent der Meere geschützt. „Die Fische auf den Tellern rund um die Erde sind häufig aus illegalem Fang“, sagt Sari Tolvanen, Meeres-Campaignerin von Greenpeace International.„Unsere gut gefüllten Fischteller rauben den Armen und zukünftigen Generationen die Nahrung und das Einkommen.“
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