: 20.14 Uhr ist 20.14 Uhr
Nach dem Orkan stellt sich heraus: Nicht der Wind, sondern die Deutsche Bahn ist für alles verantwortlich!
Ach, die Bahn. Sie soll mal wieder alles falsch gemacht haben beim Orkan „Kyrill“: voreilig alle Züge eingestellt, schlecht über Verspätungen informiert, den Kunden gerade einmal einen lauwarmen Kaffee in die Hand gedrückt. Als „katastrophal und stümperhaft“ hat Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann das Katastrophenmanagement bezeichnet. Und der Verband Pro Bahn regt sich über lange Schlangen an den Servicestellen auf.
Da weht ein Orkan mit 200 Kilometern übers Land, richtet einen Schaden in Milliardenhöhe an und tötet europaweit fast 50 Menschen – und am Ende bezieht die Bahn wieder Prügel? Dabei hat sie sich dieses Mal so angestrengt: 1.000 Mitarbeiter im Einsatz. Notquartiere in Zügen, Hotels, Turnhallen und Bunkern. Hotlines. Viele Reisende wurden entschädigt – obwohl die Bahn dies bei höherer Gewalt nicht müsste. Sicher, dass zwei Stahlträger am neuen Berliner Hauptbahnhof herausgebrochen sind, ist peinlich bis skandalös. Doch auch ohne diesen Zwischenfall wäre die Bahn wohl wieder der Buhmann gewesen.
Warum regt sich eigentlich niemand über gestrichene Flüge auf? Oder über die Energiekonzerne, die vor dem Sturm noch großspurig verkündet hatten, mit Stromausfällen sei nicht zu rechnen – am Ende saßen eine Million Haushalte im Dunkeln, zum Teil das ganze Wochenende?
Für die Bahn gelten Sonderregeln. Höhere Gewalt? Mag andere entschuldigen, bei der Bahn gilt es als billige Ausrede. Die Bahn als ehemaliges Staatsunternehmen gehört immer noch irgendwie allen.
Und hat gefälligst auch immer zu funktionieren. Und wenn auf dem Fahrplan 20.14 Uhr steht, hat der Zug verdammt noch mal auch um 20.14 Uhr zu fahren. Auch wenn ein Orkan mit 200 Sachen übers Land fegt.
WOLF SCHMIDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen